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Rettung der Karstadt-HäuserMitarbeiter verzichten auf Millionen

Die Beschäftigten der Karstadt-Warenhäuser wollen auf 150 Millionen Euro verzichten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Jetzt heißt es hoffen. Am Dienstag tagen die Gläubiger.

Trotz der Spareinlagen der Mitarbeiter, sind weiter 17 Standorte von der Schließung bedroht. Bild: dpa

ESSEN ap | Für die Rettung möglichst vieler Karstadt-Warenhäuser wollen die Mitarbeiter auf 150 Millionen Euro in drei Jahren verzichten. Die Arbeitnehmervertreter einigten sich mit dem Arcandor-Insolvenzverwalter am Samstag auf entsprechende Eckpunkte für den Sanierungsbeitrag der Beschäftigten. Maximal 17 Kaufhäuser sind jetzt noch von der Schließung bedroht.

Die Arbeitnehmer sind bereit, 75 Prozent des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der sogenannten tariflichen Vorsorgeleistungen auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, wie ver.di-Sprecherin Cornelia Haß sagte. "Damit sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, das Unternehmen aus der Insolvenz herauszuführen und so viele Standorte wie möglich zu sichern." Gegen Eingriffe in die monatlichen Löhne und Gehälter hatte sich die Gewerkschaft von Anfang an gesperrt.

Der Sprecher des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg, Thomas Schulz, teilte mit, die Regelungen sollten rückwirkend ab 1. September gelten und eine Laufzeit von drei Jahren haben. Die Zugeständnisse hätten wahrscheinlich ein Volumen von 50 Millionen Euro im Jahr.

Wie ver.di erläuterte, fließen die Millionen in die Liquidität des Unternehmens, "sofern bestimmte Bedingungen in punkto Standort- und Beschäftigungssicherung eingehalten werden". "Ist das Unternehmen bis 2012 aus der Insolvenz, soll es auch wieder das volle Urlaubs- und Weihnachtsgeld geben", sagte Haß. Sollte es keinen wirksamen Insolvenzplan geben und zu einem Abverkauf wie bei Quelle kommen, fließe das Geld vom Treuhandkonto an die Mitarbeiter zurück.

Mindestens 109 Filialen sollen bestehen bleiben

Eine Schließung steht nach Angaben des Insolvenzverwalters nur noch bei 17 statt wie bislang bei 19 Häusern zur Debatte. Damit werde der Betrieb in mindestens 109 Filialen fortgesetzt, sagte sein Sprecher Schulz. Wie viele Häuser am Ende geschlossen würden, hänge auch von Dienstleistern und Lieferanten ab.

Dazu sagte Gewerkschaftssprecherin Haß: "Wir gehen davon aus, dass letztlich deutlich weniger als 17 Häuser geschlossen werden. Wir haben jedenfalls das Unsere dafür getan." Ver.di appellierte an die Besitzer der Karstadt-Immobilien, die Rettung des Kaufhaus-Konzerns "jetzt nicht durch überzogene Mietforderungen" zu gefährden.

Dazu berichtete die Wirtschaftswoche, das Immobilien-Konsortium Highstreet, das zuletzt Mieteinnahmen von rund 277 Millionen Euro von Karstadt erhalten habe, sei dem Vernehmen nach zu Zugeständnissen bereit. Dazu gehöre wohl auch der Verzicht auf starre Mietsteigerungsklauseln.

Karstadt zuletzt tief in den roten Zahlen

Am Montag muss die ver.di-Tarifkommission den ausgehandelten Eckpunkten noch zustimmen. Am Dienstag will Insolvenzverwalter Görg auf der Gläubigerversammlung in Essen seinen Sanierungsplan für Karstadt vorlegen und damit die Weichen für den Einstieg eines möglichen Investors stellen.

Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Mutterkonzern Arcandor standen 19 der 126 Karstadt-Waren- und Sporthäuser zur Disposition, jetzt sind es noch 17. Pro Filiale sind zwischen 120 und 250 Mitarbeiter beschäftigt. Im letzten ordentlichen Geschäftsjahr 2007/08 machte die Warenhauskette mehr als 270 Millionen Euro Verlust. Interesse an einer Übernahme von Karstadt-Filialen bekundete in den vergangenen Monaten immer wieder der Handelskonzern Metro.

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4 Kommentare

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  • N
    Nadi

    Verzicht auf Lohn, um den Job zu retten, funktioniert meistens nicht. Führt bei vielen Mitarbeitern zu niedrigeren ALG-Bezügen. Karstadt krankt an der Verarmung der Deutschen und der Geiz-ist-Geil-Mentalität - wer kauft sich heute für 1000 EURO noch Kochtöpfe? Die Leute rennen zum Discounter und wollen das Vergängliche.

    Und Karstadt macht auch fehler: Gute Häuser wurden edel saniert, die Preise ins Absurde angehoben und anschließend kaufen ein paar arabische Touristen aus dem Golf eine Flasche Contrex. Bei einer Häufung von Fehlern kann es wirklich niemanden wundern, dass Karstadt kaum noch Zukunft hat. Sonderangebote kamen inzwischen von Resteverwertern und Leute sind - ob der miesen Qualität - tief enttäuscht von Karstadt. Ich denke, dass Karstadt Chancen hätte, aber offenbar gibt es nicht die passenden Manager für diesen Laden.

    Als Beschäftigter würde ich eher versuchen, mich abfinden zu lassen und das Glück bei mediemarkt und Saturn suchen. Bei Karstadt geht die Einsicht nicht mit Aktivitäten einher.

  • JK
    Juergen K.

    Allerorten, in jeder Wirtschaftsmeldung, vom Frühstück bis in den Abend:

     

    So der Tenor: ... verzichten auf ...

    --------------------------------------------

     

    Was bei den Betroffenen beinahe wie ein Befreiungsschlag aufgenommen wird.

     

    Jedenfalls bei den Betroffenen, die noch nach der teilweisen Entlassungswelle hie und da überbleiben.

     

    Wie einfach es ihnen abgeht, DER VERZICHT !

    Ist doch der Selbsterhalt damit verknüpft.

    Beinahe wird damit hausiert.

     

    Nunmehr 20 Jahre labg war Verzicht UNDENKBAR;

    undenkbar um bei Lohnverzicht und verkürzter Arbeitszeit noch Platz zu machen:

     

    Für Andere, denen auch die Chance auf einen Arbeitsplatz zu geben.

     

    Heute reicht das Wedeln ein wertlos gewordenen Optionsschein eines namenlosen Nummernkontos dazu aus.

     

    Und trotzdem noch wähnt sich der Rest in einer quasi solidarischen Gemeinschaft.

    Solidarisch halten sie das aus!

     

    Wo ist die Wirtschaft des Volkes ?

    Die, die feststellt,

     

    dass das Ideal einer Vergabe von Arbeit an ALLE

    einen Wert darstellt,

     

    sicherlich als Ideal nicht einen Anspruch auf Erreichbarkeit haben muss,

     

    aber dennoch den ANSPRUCH auf EINE FORMULIERUNG hat.

     

    Dem gegenüber stehen die sich erkotzenden Sprechblasen auf Verfassungen vereidigter Vertreter in den Medien.

     

    Dieses Versagen schreit nach einem Mauerfall.

  • U
    Unternehmensreform

    Für 150 Millionen Euro erhalten die Arbeitnehmer nur leere Versprechen und keine Beteiligung am Unternehmen?

  • S
    SunshineReggae

    wie kann man für soviel geld noch arbeiten. dann lieber beim arbeitsamt melden...