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Ressentiments in FrankreichUnterschätzt und verdrängt

Antisemitismus und Rassismus wurden ignoriert. Die Rechte schürt den Hass durch ihre Propaganda. Aber auch die Opfer pflegen Feindbilder.

Hier sind sie alle versammelt, die Menschen und ihre Ressentiments Bild: dpa

PARIS taz | Der Antisemitismus ist in Frankreich – ebenso wie das islamfeindliche Ressentiment und der antiarabische Rassismus – unterschätzt und verdrängt worden. Beides passt nicht in das Bild von der Nation der Freiheit, Gleichheit und (vor allem) Brüderlichkeit und zu dem immer wieder gefeierten Image der Wiege der Menschenrechte.

Rechthaberisch spielt sich jetzt die extreme Rechte auf, die vor allem in der Immigration aus den Exkolonien Nordafrikas den Grund der Probleme erkannt haben will. Mit ihrer Propaganda hat sie den Hass auf diesen Teil der Bevölkerung geschürt.

Die Einzigen, die wegen der parallelen Zunahme von Rassismus und Intoleranz mehrfach Alarm geschlagen hatten, waren die Opfer antisemitischer und antimuslimischer Aggressionen. Häufig waren sie mit einer großen Gleichgültigkeit in der öffentlichen Meinung konfrontiert, wenn nicht sogar mit der Entgegnung, sie würden aus eigenen Interessen ihre Opferrolle hochspielen.

Umgekehrt wurden aber auch häufig die gut gemeinten Versuche, das Zusammenleben in den Wohnvierteln und Schulen zu erleichtern und Spannungen abzubauen, durch Voreingenommenheit vereitelt. Häufig spielt dabei das Feindbildschema des Nahostkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern eine Rolle.

Keine Solidarität

Durch diese Brille betrachtet, wurde gerade in bestimmten multikulturellen Außenquartieren, wo seit Jahrzehnten Muslime und Juden untereinander und mit anderen Nachbarn friedlich nebeneinander wohnten, die Nachbarschaft zum Problem. Ein stupider Anlass genügt, um die Feindbilder zu bestätigen oder gar Streit mit nicht wieder gutzumachenden Folgen zu provozieren.

Als in allen französischen Schulen am Donnerstag im Rahmen der Nationaltrauer eine Schweigeminute für die Opfer bei Charlie Hebdo abgehalten wurde, weigerten sich in manchen Schulen (nichtmuslimische) Jugendliche, sich an einer Geste der Solidarität zu beteiligen, weil doch Charlie Hebdo den Islam und die anderen Religionen „beleidigt“ habe. Die Beispiele, die von meist völlig desillusionierten Lehrern und Lehrerinnen per Facebook oder auch in einem Bericht des Magazins Le Point geschildert werden, sind konsternierend.

„Hört auf damit, Krieg zu provozieren. Hört auf, Moscheen und Synagogen niederzubrennen und euch an Menschen zu vergreifen. Das bringt uns unsere Toten nicht zurück und tröstet die Familien nicht“, ersucht in einer Erklärung die Familie des vor dem Sitz von Charlie Hebdo erschossenen (muslimischen) Polizisten Ahmed Merabet (42). Er sei Polizist geworden und als Polizist getötet worden, weil er die Grundwerte der Republik verteidigen wollte, rief sein Bruder der Nation in Erinnerung.

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