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Respect Gaymes in BerlinHomophobie in der Sportszene

Ein Fußballer von Türkiyemspor wirbt auf Plaketen für das Sportfest des Lesben- und Schwulenverbandes. Doch Erkut Ergiligür wollte nicht das Motiv sein, zu schlecht waren seine Erfahrungen.

Mit diesem Plakat wirbt der Berliner Schwulen und Lesbenverband. Bild: screenshot: www.berlin.lsvd.de

Ein Linienbus fährt das Motiv durch Berlin spazieren. Die Plakatkleber haben es in den letzten Wochen an 5.000 Stellwände der Stadt gekleistert. Es zeigt einen jungen Mann mit nacktem Oberkörper und einem Lederball in der Hand. Über seinem Brustkorb prangt die Botschaft: "Zeig Respekt für Schwule und Lesben". Es ist das Motto der heute beginnenden Respect Gaymes, die der Berliner Schwulen und Lesbenverband (LSVD) organisiert.

Der Abgelichtete, Erkut Ergiligür, ist halbprofessioneller Fußballer des Regionalligisten Türkiyemspor Berlin; er besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. "Im Fußball und in der türkischen Community werden Schwule besonders stark diskriminiert", weiß Cetin Özaydin vom Förderverein Türkiyemspors. Das ist der Grund, weshalb Erkut Ergiligür nicht mehr für die Respect Gaymes werben möchte. Er sieht sich als Opfer. Die gleichen Plakate hingen bereits im vergangenen Jahr aus. Im privaten Umfeld Ergiligürs wurden Häme und Spott über dem 21-Jährigen ausgeschüttet. Ein zweites Mal, das war ihm danach klar, würde er sich nicht mehr zur Verfügung stellen. "Aber jetzt", wettert Ergiligür, "haben sie, ohne mich zu fragen, das Plakat einfach wiederverwendet. Ich bin stinksauer. Die Verantwortlichen sollen froh sein, dass ich sie nicht verklage." Er habe nichts davon mitbekommen, dass sein Verein ihn Anfang Mai voller Stolz erneut als Schirmherr der Respect Gaymes vorgestellt habe.

Bei Türkiyemspor ist man bestürzt. Susam Dündar-Isik, die Pressesprecherin, sagt, sie habe erstmals vergangenen Sonntag von den schlechten Erfahrungen Ergiligürs gehört. Auch Alexander Zinn, der Öffentlichkeitsarbeiter vom Lesben und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, erklärt, dass das für ihn völlig neu sei. Beide Seiten berufen sich auf ihr Nichtwissen. Das Problem ist aber, dass niemand etwas von Ergiligür wissen wollte, dass ihn keiner nach seinen Erfahrungen gefragt hat. Rechtlich sei die Angelegenheit einwandfrei, sagt Zinn. Ergiligür hätte unterschrieben, dass das Plakat zwei Jahre verwendet werden dürfe. Ein Vertragspassus, der dem jungen Türken wohl nicht aufgefallen sei. Wenn man jährlich neue Plakate entwerfen müsse, wäre das für den Verband zu teuer, so Zinn. Dass das für den Kicker zum Problem werden könnte, hat scheinbar niemand einkalkuliert.

Es kursieren Gerüchte, dass auch der frühere Berliner Profiboxer Oktay Urkal, der ebenfalls einmal mit seinem Konterfei für die Respect Gaymes warb, sein Engagement im Nachhinein bereut hat. Sein Berater Frank Bleydorn sagt: "Zum Thema Respect Gaymes will sich Urkal grundsätzlich nicht mehr äußern. Sie können sich Ihren Teil denken, warum." Das Plakat von Ergiligür ist zum Trugbild in 5.000-facher Auflage geworden. Bis zuletzt versuchte man bei Türkiyemspor, den Unmut Ergiligürs nicht öffentlich werden zu lassen. Eine Interviewanfrage mit dem Spieler blockte Pressesprecherin Dündar-Isik am Mittwoch mit der Begründung ab, es stehe das entscheidende Spiel um den Klassenerhalt am Wochenende an. Als sie später erfährt, dass Ergiligür sich bereits geäußert hat, bittet Dündar-Isik inständig um Fairness. Es gehe doch um eine wichtige gesellschaftspolitische Arbeit, der sich der Verein schon seit einigen Jahren widme und dafür auch mit Preisen ausgezeichnet worden sei. Und auch Zinn vom LSVD bemerkt, er fände es sehr schade, wenn dieses wichtige Anliegen, Respekt für Schwule und Lesben zu zeigen, von einer negativen Berichterstattung begleitet würde. Die Verantwortlichen müssen sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, beim Versuch auf plakative Gesten zu setzen, sich über den Willen des Spielers hinweggesetzt zu haben.

Erkut Erkgiligür wird dem Beispiel von Oktay Urkal folgen und sich nicht mehr öffentlich gegen Homophobie engagieren. Eine Konsequenz, die widerspiegelt, wie schwierig es nach wie vor ist, sich in der Sphäre des Sports gegen Diskriminierungen von Schwulen und Lesben einzusetzen.

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8 Kommentare

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  • L
    LupusB

    hm. Natürlich kann man sich jetzt hinstellen und den Jungen als beleidigten störrischen Hetero hinstellen und als zu doof sich Verträge duchzulesen.geschenkt. Aber ihn erst ins Licht zu zerren und dann in seinem Umfeld alleine zu lassen (..."nicht mit ihm gesprochen") ist auch keine Art. Soll er denn auf seinen (ach so unzüchtigen nackten Schultern) ein homophobes-muslimisch millieu ins tolerante Regenbogenland führen?! Letztenlich hat sich doch wohl jeder, der die Plakate gesehen hat, gefragt wie das wohl bei seinen Kumpels ankommt. Daher Respekt für den Mut, dass er es damals gemacht hat und bisschen mehr Verständnis das er jetzt den Schwanz einzieht.

  • A
    Axel

    @ Martin:

    Wenn es in dem Artikel heißt

     

    Über seinem Brustkorb prangt die Botschaft: "Zeig Respekt für Schwule und Lesben"

     

    dann erwarte ich sogar, dass er nicht schwul ist. Ich glaube, dass man leicht auch eine Lesbe/einen Schwulen für ein Werbeplakat gefunden hätte, nur dann hätte der Slogan "Ich verlange Respekt für uns Schwule und Lesben" lauten müssen. Meines Erachtens eine doofe Idee für eine heutzutage selbstbewusste Szene, die inzwischen mehr nach außen und um Verbündete werben sollte. Schließlich gibt es heute z. B. auch Männer, die sich glaubwürdig und ernsthaft für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen.

     

    Zum 2. Kritikpunkt: Das Gegenstück zum nackten Busen für den Hetero ist m. E. der Schwanz beim Schwulen, Der freie männliche Oberkörper ist nicht derartig sexualisiert, wie der freie weibliche Oberkörper. Ich fühle mich daher durch das Plakat nicht sexuell belästigt. Zumal der Trikottausch in jeder gemischten Zuschauergruppe (heterosexuelle Frauen und Männer, Lesben und Schwule) zu Kommentaren führt; es gibt sogar heterosexuelle Männer, die - ohne gleich in eine Schublade gepackt zu werden - die Un- und Attraktivität ihrer Geschlechtsgenossen bewerten. Das ist dann ein Symbol für eine unaufgeregte und emanzipierte Gesellschaft. Soll es auch schon mal geben.

  • H
    harryet

    und warum heisst es in dem artikel "Die Verantwortlichen müssen sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, beim Versuch auf plakative Gesten zu setzen, sich über den Willen des Spielers hinweggesetzt zu haben", wenn der mann einen 2 jahresvertrag unterschrieben hat und somit sein einverständnis gegeben hat?

  • M
    Mehti

    Türkiyemspor war heute mti einem Großteil des Teams bei den Respect-Gaymes vertreten. Es geht eben nicht nur um Plakate.

     

    Und übrigens schon letztes Jahr, bei der Fahnenaktion sagte Erkut eindeutig das er das nicht noch einmal machen will, weil ihm die Anfeindungen zu viel sind.

  • S
    Sascha

    Jo klar, @Martin, es gibt dank der absolut perversen (!) Unterdrückung und Ausgrenzung von Homosexualität gerade im Fußballsport ja auch so unglaublich viele offene schwule Fußballer, die man für eine Werbekampagne gewinnen könnte...

     

    Außerdem ist es geradezu grotesk, in einer Gesellschaft, in der rund um die Uhr halbnackte Frauen in den Massenmedien zu sehen sind und Heterosexualität geradezu manisch in Szene gesetzt wird, schwule Männer aus deiner mittelalterlichen Sicht noch nicht einmal alleine (geschweige denn zusammen) mit nacktem Oberkörper abbilden zu dürfen. Wann leben wir eigentlich???

     

    Offenbar immer noch in einer sexuell derart repressiven Gesellschaft, dass wir noch nicht einmal den Stand der Antike mit ihrer deutlichen Sichtbarkeit von Homosexualität in der Öffentlichkeit, insbesondere in der Kunst (also den damaligen Massenmedien)erreicht haben! Das sollte sich dringend ändern, denn es kann nicht angehen, dass gerade jungen Menschen immer nur EINE Identität als angebliche Norm eingehämmert wird. Genau DAS ist doch die Ursache aller Probleme im Umgang mit Sexualität und sexueller Vielfalt in dieser Gesellschaft und vor allem auch die Ursache von Homophobie, um deren Bekämpfung es hier ja angeblich gehen soll!

  • K
    Karl

    Lieber Herr Martin, Ihre Forderung nach einem schwulen Model zeigt einen Denkfehler und zeigt auch ihre Unkenntnis der Fußballszene. Es geht doch darum, dass auch ausserhalb der Schwulenszene für Respekt geworben soll- wie kann das besser transportiert werden als von einem Hetero-Spieler?

    ausserdem findet sich nachwievor kein schwuler Fußballer, deswegen gibt es doch solche Veranstaltungen.

     

    Ich finde, man sollte jetzt nicht den LSVD angreifen, sondern den Spieler unterstützen, damit er merkt, dass er sich für eine gute Sache eingesetzt hat und auch merkt, dass jawohl mit seinem Umfeld was nicht stimmen kann, wenn er wegen so etwas mit Häme und Spott überschüttet wird.

    schade, wenn er andere Schlüsse zieht.

  • M
    Micha

    Ich denke, es ist egal, ob der betreffende Sportler nun hetero-, bi- oder homosexuell ist, da dieses Faktum für die Kampagne unwichtig ist. Wenn für mehr Respekt gegenüber Homosexuellen im Sport geworben wird, ist es nur gut, wenn sich auch hetereosexuelle Sportler beteiligen und für ihre Kollegen eintreten.

    Kann nur ein Schwuler für Schwule eintreten? Nein, das ist wohl nicht so.

     

    Natürlich war die Häme absehbar. Dass allerdings hätte der junge Mann sich auch selber denken können, da ich bezweifele, dass ihm die feindselige Haltung seiner Kollegen gegen Homosexuelle nicht aufgefallen ist. Er kannte doch den Sinn dieser Aktion und auch das Umfeld,in dem sie geplant war, oder? Dass man auch einen Vertrag sich sehr sorgfältig durchsehen muss, dürfte wohl auch zu den Selbstverständlichkeiten gehören, die ein "Halbprofi" beherrschen muss.

     

    "Aber noch ein Punkt ist zu kritisieren: Warum mußte er mit nacktem Oberkörper abgebildet werden?" Hier möchte ich mich der Meinung meines Vorredners anschließen. Gibt es Oberbekleidung für Schwule? Sieht man sich diese Aktion neben anderen an, so muss man wohl mit Nein antworten. Plumper Sexismus.

     

    Auch wenn die Initiatoren der Aktion auch der rechtlich sicheren Seite stehen, so sollte man den jungen Mann nicht gegen seinen Wilen in die Aktion einbinden. Letztlich kann die Akzeptant nur dann erreicht werden, wenn die Vorbilder sich mit ganzem Herzen für die Sache einsetzen und so die Wirkung auf ihre Kollegen erhöhnen. Einen störischen und beleidigten Hetero zum warmen Botschafter des Sports zu machen, lenkt wohl zu sehr von dem eigentlichen Anliegen ab.

  • M
    Martin

    Es steht zwar nicht da, aber es hört sich so an, als ob die Werbefigur selbst gar nicht schwul ist. Das ist eben der Grundfehler. Ein "echter" und bekennender Schwuler hätte natürlich keine Häme erhalten, wofür auch? Traurig daß man nicht einen Schwulen finden konnte für diese Aktion. Was ihn erwartete war absehbar und keiner hat ihn davor gewarnt.

     

    Aber noch ein Punkt ist zu kritisieren: Warum mußte er mit nacktem Oberkörper abgebildet werden? Das bedient das Klischee, daß Schwule ständig in einer Welt aus Erotik und Sex leben. Denn was ein nackter Busen für einen Hetero, das ist ein nackter Brustkorb für einen Homo. Somit ist das Plakat fast schon sexuelle Belästigung für Homos ;-)