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Reservisten-Verbandschef über Neonazis"Wir haben die Gefahr unterschätzt"

Der Reservistenverband der Bundeswehr kämpft gegen Neonazis in den eigenen Reihen. Verbandschef Kiesewetter fordert nun auch Hilfe vom Verfassungsschutz.

Wollen jetzt ausmisten: Reservisten bei einer Gedenkfeier. Bild: dpa
Martin Kaul
Martin Kaul
Interview von Martin Kaul und Martin Kaul

taz: Herr Kiesewetter, Sie gehen derzeit gegen NPD-Mitglieder und Rechtsextreme in ihren eigenen Reihen vor und haben bereits einige verbannt. Wie funktioniert ihr Nazi-Scanner?

Roderich Kiesewetter: Wir haben keinen Nazi-Scanner. Aber wir haben nun einen Unvereinbarkeitsbeschluss getroffen, der sagt: Wer Mitglied in der NPD ist, der kann bei uns kein Mitglied sein.

Das überrascht. Als Anfang Oktober NPDler mit Waffen des Reservistenverbandes auf Ihren Übungsplätzen hantierten, hieß es bei Ihnen noch: "Solange die NPD nicht verboten ist, sind uns die Hände gebunden."

Bild: CDU
Im Interview: Roderich Kiesewetter

48, ist seit November Präsident des Deutschen Reservistenverbandes und abrüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Ich habe mich schon lange dafür eingesetzt, dass wir hier rigoroser vorgehen. Aber ich bin auch erst seit vier Wochen Präsident des Verbandes. Nun will ich niemandem einen Vorwurf machen, doch ich hätte mir auch gewünscht, dass es hier früher mehr Sensibilität gegeben hätte. Wer rechtsextremes Gedankengut pflegt und die Verfassung missachtet, hat keinen Anspruch auf eine Ausbildung an der Waffe, wie wir sie ja auch durchführen. Deshalb habe ich erwirkt, dass wir solchen Mitgliedern nun rigoros die Mitgliedschaft kündigen.

Mit Erfolg?

Bei den zwölf uns bekannten Personen, denen ich die Mitgliedschaft gekündigt habe, gibt es erstaunlicherweise bisher keinen juristischen Gegenwind. Ich würde mir daher wünschen, dass auch andere Vereine den Weg einschlagen, über eine Kündigung rechtsextremer Mitglieder verstärkt nachzudenken.

Die Parteimitgliedschaft ist ein rein formales Kriterium. Das heißt, Neonazis, die keiner Partei angehören, dürfen bei Ihnen weiter Mitglied sein?

Das ist in der Tat ein Problem: Wie wollen sie als Vereinsvorsteher die Gesinnung ihrer Mitglieder prüfen, wenn sie sie nicht kennen? Wir müssen deshalb in unseren Schießsportgruppen eine andere Sensibilität entwickeln. Leider werden wir damit aber auch alleine gelassen.

Was meinen Sie damit?

Zu vielen rechtsextremen Organisationen liegen uns nicht hinreichend viele Kenntnisse vor, auf deren Basis wir tätig werden könnten. Mir liegen etwa vier Fälle von Personen vor, wo es zwar Verdachtsmomente gibt, aber nicht mehr. Hier bräuchte ich die Unterstützung des Verfassungsschutzes.

Wie soll das aussehen?

Ich fordere, dass wir eine Informationspflicht für den Verfassungsschutz einführen: Der Geheimdienst muss Organisationen, die staatliche Gemeinschaftsaufgaben übernehmen, warnen, wenn Verfassungsfeinde sich einschleichen. Es muss verbindlich geregelt werden, dass die Verfassungsschutzbehörden hier besser kooperieren.

Sie wollen eine öffentliche Naziliste des Verfassungsschutzes?

Natürlich keine, die an Sportvereine verschickt wird. Aber Verbände wie die Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz und der Reservistenverband sind Träger öffentlicher Aufgaben. Im Reservistenverband geht es auch um die Anträge zur Genehmigung von Waffenbesitzkarten und wir sind etwa zuständig für die Ausbildung und Förderung militärischer Fähigkeiten. Deshalb ist es nötig, dass der Staat uns hier auch hilft, damit wir nicht die Falschen ausbilden.

Gilt die Extremismusklausel Ihres Verbands auch für die Linkspartei?

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Mitglieder der Linkspartei nennen, die Mitglieder in Reservistenverband sind. Aber im ernst: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir die Gefahr von Links in den letzten Jahren unterschätzt haben. Wir haben aber die Gefahr von Rechts unterschätzt. Durch die Wiedervereingung und die zwischen 1933 bis 1989 fehlende demokratische Kultur im Bereich des Beitrittsgebietes müssen wir heute besonders sensibel sein. Es reicht eben nicht, in der Schule mal vor Rechts zu warnen. Wir waren bei Rechts zu lange großzügig.

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14 Kommentare

 / 
  • W
    Wallküre

    Der Reservistenverband zeigt unter neuer Führung nach Jahren endlich Entscheidungskraft in Bezug

    auf Mitglieder mit rechter Gesinnung.

    Herzlichen Glückwunsch !

    Aber es ist doch traurig, das hier ein neuer Präsident persönlich tätig werden muss, warum sind viele langjährige Funktionäre als Vorsitzende von Landesverbänden hier nicht tätig geworden?

    Hat man Mitglieder mit rechtem Hintergrund jahrelang stillschweigend toleriert oder war es einfach Angst vor persönlichen Nachteilen?

    Hier steht der Reservistenverband in der Pflicht, seine Mandatsträger und Mitglieder entsprechend

    aufzuklären.

    Aber wo fängt rechte Gesinnung im Reservistenverband an?

    Der Reservistenverband zieht natürlich Menschen mit militaristischem Fimmel magisch an.

    Hier sind dann die Grenzen zu einer rechten Gesinnung oftmals „schwimmend“.

    Oft auch verbunden mit einem falschen Traditionsverständnis.

    Und einem offensichtlichen Konflikt sich mit dem heutigen Selbstverständnis eines Soldaten der Bundeswehr auf Grundlage der freiheitlichen demokratischen Grundordnung identifizieren zu können.

    Also absolute „No go´s“ für einen staatlich subventionierten Großverband mit parlamentarischem Auftrag.

    Hier gibt es noch viele Baustellen, die wohl jahrelang nicht angegangen wurden.

    Auch ist schon seit längerem bekannt, das die Abteilung Schießsport innerhalb des Reservistenverbandes vielerorts zu einer Parallelgesellschaft innerhalb des Gesamtverbandes mutiert ist.

    Auch eine Folge von jahrelangem Schlendrian in Bezug auf verbandspolitische Selbstkontrolle.

    In dieser liegt das primäre Interesse der Mitglieder wohl beim Erwerb von Schusswaffen und nicht bei der Wahrnehmung der viel gepriesenen Mittlerfunktion getreu dem neuen Motto „Tu was für Dein Land“.

    „Tu was für Dein Land“ kann nicht ausschließlich das betreiben von Schießsport sein.

    Sonst hätte jeder Schützenverein in Deutschland, den gleichen Anspruch, Bundeswehrschießanlagen kostenlos mitzunutzen und auch aus Steuergeldern sein Personal bezahlt zu bekommen.

     

    @Herr Kiesewetter:

    Ein guter Start als Präsident, aber jetzt nicht nachlassen die längst überfälligen Reformen innerhalb Ihres Verbandes konsequent weiterzuverfolgen.

  • WR
    Weiße Rose

    Soviel Progressivität hätte ich als Ex-Zeitsoldat dem Reservistenverband gar nicht zugetraut!

    Selbstverständlich haben Nazis so rein überhaupt nichts in der Bundeswehr und seinen Organen zu suchen. Für diese Dumpfbacken haben wir Gefängnisse und forensische Abteilungen in den Psychatrien.

  • J
    Jürgen

    "Unterstützung des Verfassungsschutzes"

    - beim Aufspüren von Neonazis? Ha ha ha, der war gut!

  • GK
    Gerhard Kniege

    Auch wenn Präsident Kiesewetter erst kurz im Amt ist so ist er doch kein Neuling auf dem Gebiet der Reservistenarbeit. Jeder Funktionär im Reservistenverband kennt die Problematik schon seit vielen Jahren. Immer wieder musste der Verband durch von Medien aufgedeckte Tatsachen im rechten Sumpf Stellung beziehen. So hat die Frankfurter Rundschau beispielsweise vor einiger Zeit getitelt "Braune Flecken auf der Uniform" siehe (www.fr-online.de) Obwohl die Autoren offensichtlich sehr seriös Recherchert haben, hat der Verband seinerzeit mit der lapidaren Erklärung abgewickelt: Es gebe keine aktuellen Hinweise auf fragwürdige Gesinnung.

  • J
    johanna

    Zu den vorrangegangenen Kommentaren:

    Da Jede/Jeder mit einer rechts-nationalsozialistischen Gesinnung gegen die Demokratie in diesem Land ist und der Zugang zu Waffen eine große Gefahr für das Leben in diesem Land darstellt, muss dieser Person der Zugang zu Waffen verhindert werden. Das gilt insbesondere für Reservisten.

    An die Redaktion: Danke für den Beitrag.

  • G
    Gleichberechtigung

    Wie sieht es mit Linken aus?

     

    Wenn einer linker/linksradikaler Feuerwehrmann an ein Haus kommt, dass von normalen Deutschen (vll. sogar stadtbekannten bösen Konservativen) bewohnt wird, kommt er dann auch in einen Gewissenskonflikt?

     

    Warum wird in Deutschland derzeit so eine Hetze betrieben?

     

    Die Zeit des linken Gutmenschentums geht gleichwohl zu Ende. Sieht man daran, dass die TAZ immer hysterischer in der Propaganda wird. Liefe es gut, bräuchte es das nicht.

  • B
    Beitrittsgebietler

    "Durch die Wiedervereingung und die zwischen 1933 bis 1989 fehlende demokratische Kultur im Bereich des Beitrittsgebietes müssen wir heute besonders sensibel sein."

     

    In den Führungsreihen der CDU ist man offenbar der Ansicht, die Ostdeutschen seien Demokraten zweiter Klasse und trügen mehr oder vor allem Schuld am Rechtsextremismus.

    Zunächst einmal war der Westen Deutschlands nie frei von Rechtsextremismus, auch militantem, wie die Wehrsportgruppe Hoffmann zeigte und. DAS ist doch Allgemeinwissen!

     

    Darf man außerdem daran erinnern, dass es 1953 in der DDR, dem späteren "Beitrittsgebiet", die ersten Volksaufstände gab, als in Westdeutschland Nazi-Richter im Amt belassen wurden, Nazi-Generäle und -Offiziere die Bundeswehr, SS-Leute den Verfassungsschutz aufbauen durften und einer der Väter der Nürnberger Rassegesetze, Hans Globke, enger Berater von Adenauer war??

    Dass die "friedliche Revolution" 1989 nicht auf dem Mist von Kanzler Kohl gewachsen ist, sondern von den Menschen im "Beitrittsgebiet" getragen wurde??

     

    Diese selbstgefällige und arrogante Geringschätzung gegenüber den Menschen in Ostdeutschland, deren Volkseigentum nach dem "Beitritt" ganz demokratisch den adligen Demokraten übereignet oder an windige Geschäftsleute und Großunternehmen verhökert wurde, ist Hauptursache der strukturellen und sozialen Probleme in den östlichen Bundesländern.

  • GS
    Georg S. Haueisen

    Die fehlende demokratische Kultur in der Zeit zwischen 1933 und 1989 - wow, darauf muss man auch erst mal kommen. Geschichte wird gemacht.

  • MB
    Markus Brandt

    @ SenorUgo:

    Ihren ersten Punkt sehe ich absolut ein. Es gab in GB zB einen Fall wo ein Polizist zum Schutz der israelischen Botschaft eingeteilt wurde. Er legte Einspruch ein, da seine Religion ihm verbiete einen Juden zu schützen. Wenn er das ankündigt, dann kann man ja einen anderen einsetzen der nicht religiös vorbelastet ist, aber was ist wenn Gefahr im Verzug ist wie in dem von Ihnen angeführten Beispiel. Ich sehe bei dem Hass zwischen vielen gesellschaftlichen Gruppen wohl die Gefahr, dass in Zukunft Rettungs- und Sicherheitskräfte zögern wenn sie Menschen die sie eigentlich hassen zu schützen wie es ihr Dienst verlangt. Man darf gespannt sein.

  • MB
    Markus Brandt

    Ich finde diese Art des Kampfes gegen die braune Gefahr höchst zweifelhaft und verfassungsrechtlich Zweifelhaft. Klar, wenn wir das bild des mordlüsternen Nazis im Hinterkopf haben, dann mag das für viele Menschen ok sein was hier gefordert ist. Das Problem ist aber, dass man hier eine Büchse der Pandora öffnet die man bnicht wieder schließen kann. Wer legt eigentlich fest was ein Nazi ist? Und wenn das Wort "Verfassungsfeind" schon fällt, dann könnte man mit der gleichen Argumentation auch Katholiken, Moslems, Linke und sogar Tierschützer aus allen Vereinen ausschließen. Man nimmt einfach einen Teil der Ideologie her der nicht ganz dem Zeitgeist eintspricht, dann bläßt man ihn überproportional auf und sagt schließlich, dass das alles mesnchenverachtend sei. Es gibt kein Frauenpriestertum in der kath Kirche -> Frauenfeindlichkeit -> Verfassungsfeinde! Die Schariah gibt Frauen und "Ungläubigen" weniger Rechte als muslimischen Männern -> Menschenfeindlichkeit -> Verfassungsbruch! usw... .

    Wollen wir jedes Problem und jede zugegeben problematische Gesinnung gleich mit Verboten und Ausschließen lösen? Gerade die Subjektivität dieser Schubladen und wer das eigentlich entscheiden soll wer jetzt gefährlich oder böse ist macht mir etwas Bauchschmerzen (brave new world???).

  • D
    deviant

    @Norbert Bönsch:

     

    Wenn das so ist, warum vereinigen wir die Parteien des Landes nicht zur Demokratischen Einheitspartei "Populus" (DEPP), die von nun an das Land regiert?

    Andernfalls werden die Oppositions- und außerparlamentarischen Parteien doch schließlich aufgrund ihrer politischen Anschauungen benachteiligt.

     

    Und wo wir schon dabei sind: Wahlrecht für alle, die hier leben, egal welchen Pass sie besitzen - man kann sie ja nicht aufgrund ihrer Herkunft (Ausland) und politischen Überzeugung (den alten Pass behalten zu wollen) diskriminieren. Und Deutschpflicht ist dann auch abzuschaffen, man darf ja niemanden aufgrund seiner Sprache benachteiligen.

     

    Ausserdem sparen wir uns das mit der Verfassungstreue der Beamten und den Amtseid der Minister wird auch abgeschafft...einem Minister die politische Überzeugung, zum eigenen Vorteil gegen das Wohl des Landes zu arbeiten, zu verbieten, ist ja schließlich das Allerletzte!

     

     

    Und überhaupt: Wir bewaffnen Diktatoren und Menschenschlächter in der ganzen Welt, warum sollten wir nicht auch die Verfassungsfeinde von Rechts bewaffnen und an diesen ausbilden, damit sie dann um so effektiver alle anderen umbringen können?

     

    ______

     

    Wer Zynismus und/oder Ironie findet, darf sie behalten.

  • S
    SenorUgo

    @Anonymous: Nun, vielleicht weil er sich selber in einem "Gewissenskonflikt" wiederfindet, sollte er ein Haus löschen müssen, welches von MigrantInnen bewohnt wird? Nur so als Beispiel, mir würden eine Menge einfallen, warum ein Menschenhasser nicht in Menschenrettervereinen mitmachen sollte.

    @NorberBönsch: Nun, es geht ja nicht um Taubenzucht oder Briefmarkensammeln. Ich denke doch, dass ein Reservistenverband, der Menschen an Waffen ausbildet eine gewisse Sensibilität an den TAg legen sollte, wem er da eine Waffe in die Hand drückt. Grundgesetz hin oder her.

  • NB
    Norbert Bönsch

    Art 3 GG: ..Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

     

    Und wie passt das jetzt mit dem Ausschluss aus dem Reservistenverband zusammen?!

  • A
    Anonymous

    Warum sollte ein "Nazi" nicht in der Freiwilligen Feuerwehr mitarbeiten? Betreiben wir jetzt eine politische Selektion bei Vereinen? Ich meine bei Schießvereinen mag mir ja noch ein wenig einleuchten, warum man die NDP ausschließt, aber bei anderen Vereinen? Die Diskussion über Rechtsradikalismus wird langsam zur Hatz. Wir wollen also diesen Menschen ihre Rechte entziehen, weil sie die unsrigen bekämpfen. Klingt durchweg logisch. Wir gehen mit gutem Beispiel voran.