Reproduktionsmedizin in England: Babys mit drei Eltern
Das britischen Unterhaus billigt eine gentechnische Methode, bei der das Erbgut von drei Menschen verbunden wird. Sie soll schweren Erbkrankheiten vorbeugen.
LONDON kna | Das britische Unterhaus hat am Dienstag eines neuen reproduktionsmedizinisches Verfahren freigegeben, das unter dem Schlagwort „Drei-Eltern-Babys“ firmiert. In der Abstimmung ohne Fraktionszwang votierten 382 Abgeordnete mit Ja, 128 mit Nein. Am 23. Februar stimmt das Oberhaus ab; dessen Zustimmung gilt als sicher. Die ersten „Drei-Eltern-Babys“ könnten dann im Herbst 2016 zur Welt kommen.
Die von britischen Forschern entwickelte gentechnische Methode zielt darauf ab, bei einer künstlichen Befruchtung die Weitergabe von schweren Erbkrankheiten wie Muskelschwund zu verhindern, die auf einem Defekt der Mitochondrien-DNA beruhen. Diese sitzt im Plasma der weiblichen Eizelle. Bei dem auch unter Wissenschaftlern umstrittenen Verfahren tauschen Mediziner die defekte DNA gegen die gesunde DNA einer erblich nicht belasteten Spenderin ein. Das Baby hätte damit die DNA von drei Menschen: dem Vater und zwei „Müttern“.
Die anglikanische Staatskirche von England hatte im Vorfeld weitere ethische und wissenschaftliche Studien verlangt, um die Folgen des Verfahrens abschätzen zu können. „Ohne ein besseres Verständnis darüber, welche Rolle die Mitochondrien bei der Weitergabe von Erbeigenschaften haben, hält die Kirche eine entsprechende gesetzliche Regelung zur jetzigen Zeit für unverantwortlich“, hieß es.
Die katholische Bischofskonferenz von England und Wales äußerte sich ähnlich und betonte, dass bislang kein anderes Land die Methode freigegeben habe. Es gebe „ernstzunehmende ethische Bedenke“" gegen das Verfahren, das „die Zerstörung eines menschlichen Embryos als Teil des Prozesses“ voraussetze.
Medienberichten zufolge kommt jedes 200. Neugeborene in Großbritannien mit einer schweren Erberkrankung zur Welt, die auf einen Defekt bei den Mitochondrien zurückzuführen ist. Derzeit haben demnach rund 2.500 Britinnen das Risiko, eine defekte Mitochondrien-DNA weiterzugeben.
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