Repressionen in Kasachstan: Hütte dicht!
Immer mehr NGO's werden Ziel behördlicher Schikanen – angeblich wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten. Betroffene sprechen von politischen Motiven.
Der ILI-Vorsitzende Amangeldy Schomanbekow hält das jüngste Manöver für politisch motiviert. „Es sieht so aus, als wollten die Behörden nicht, dass wir Beziehungen zur UNO, der OSZE und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterhalten. Sie wollen uns mundtot machen, sodass niemand in diesem Land mit internationalen Strukturen kommunizieren kann“, sagte er dem Sender Radio Freies Europa.
Die zwei NGOs sind vorerst nur die beiden letzten Opfer von mehr als einem Dutzend zivilgesellschaftlicher Organisationen, gegen die die Behörden bereits seit Monaten vorgehen.
Bereits im vergangenen November hatten 13 NGOs Besuch von der Steuerbehörde bekommen. Einer der Vorwürfe lautet, die Gruppen hätten über finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland nicht ordnungsgemäß Bericht erstattet. Die Vorwürfe beziehen sich auf Vorgänge, die bereits Jahre zurückliegen.
1600 Euro Geldstrafe
Auch die Gruppe „Echo“ wurde wegen derartig fadenscheiniger Anschuldigungen für drei Monate zum Schweigen gebracht und zu einer Geldstrafe von umgerechnet knapp 1.600 Euro verurteilt. Ihr Anliegen ist es, die Bevölkerung möglichst auf allen Ebenen in die politische Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Aktuell bereiteten die Echo-Aktivist*innen einen Report über die Parlamentswahl am 10. Januar vor.
Bei der Abstimmung erreichte die langjährige Regierungspartei Nur Otan des früheren Präsidenten Nursultan Nasarbajew über 70 Prozent der Stimmen, die Opposition ist in der neuen Volksvertretung nicht vertreten. Die OSZE hatte kritisiert, dass es im Wahlkampf keine Chancengleichheit gegeben habe und Grundfreiheiten der Wähler*innen systematisch eingeschränkt worden seien.
Es sei schockierend, wie viele Gruppen gleichzeitig von den Repressionen betroffen seien, ebenso wie die offensichtlich ungesetzliche Art, wie die Behörden agierten, heißt es in einer Erklärung der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom 20. Januar. „Es ist stark zu bezweifeln, dass Kasachstans Führung daran arbeitet, die Lage der Menschenrechte zu verbessern.“
Und nicht nur das: In seiner Rede an die Nation im September 2019 und damit ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt hatte Präsident Qassym-Schomart Toqajew noch vollmundig sein Konzept eines „Staates, der den Bürger*innen zuhört“ angekündigt. Diesen „konstruktiven“ Dialog dürften sich die aktiven Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wohl anders vorgestellt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands