Rente ist nicht nur für Rentner da

■ Die Rentenversicherung muß auch versicherungsfremde Leistungen tragen, obwohl dadurch Beamte und Selbständige bevorzugt werden. Bundessozialgericht entscheidet Musterprozeß

Kassel (dpa) – Der Haushalt der gesetzlichen Rentenversicherung darf auch in Zukunft mit sogenannten versicherunsfremden Leistungen belastet werden. Das Kasseler Bundessozialgericht wies am Donnerstag eine Grundsatzklage gegen diese Praxis ab.

Ein Angestellter aus dem Rheinland hatte sie mit Unterstützung des Sozialverbandes Reichsbund angestrengt, weil nach seiner Meinung allgemein staatliche Pflichten, die Sache aller Deutschen seien, einseitig dem Beitragszahler aufgebürdet würden. Ohne die versicherungsfremden Leistungen könne der Beitrag von zur Zeit 20,3 Prozent um zwei Punkte gesenkt werden.

Versicherungsfremde Leistungen sind beispielsweise Kriegsfolgelasten, die Kosten der Wiedervereinigung und Erziehungszeiten. Sie machen nach Berechnungen der Rententräger knapp ein Drittel der Gesamtausgaben von gut 360 Milliarden Mark aus (Stand 1995). Zum Ausgleich zahlt der Bund den Rentenanstalten einen Zuschuß, der aber nur 20 Prozent der Ausgaben beträgt.

Der Reichsbund hatte kritisiert, auf der Differenz bleibe der abhängig Beschäftigte sitzen, während Beamte und Selbständige nicht zahlen müßten, weil sie nicht Mitglied der Rentenversicherung sind. Dies verstoße gegen das Grundgesetz.

Der Senat wies dagegen darauf hin, daß auch andere Sozialversicherungssysteme, beispielsweise die Unfallversicherung, Leistungen vorsähen, die nicht von Beiträgen gedeckt sind. Dies habe das Bundesverfassungsgericht Mitte der 80er Jahre ausdrücklich genehmigt. Der Bund habe das Recht, mit „konkurrierender Gesetzgebung“ verschiedene Fremdleistungen dem Rentenversicherungssystem aufzubürden.

Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) begrüßte die Entscheidung. Die Leistungen zum sozialen Ausgleich gehörten zum Wesen der gesetzlichen Rentenversicherung. „Gerade dadurch unterscheidet sie sich von der Privatversicherung.“ Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gerd Andres, forderte den Bund auf, zur Entlastung der Rentenkassen eine „echte Beitragszahlung“ für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Rente vorzunehmen.