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Renaissance der Atomindustrie

■ betr.: „Fluchtgedanken“, Öko lumne von Gerd Rosenkranz, taz vom 10./11.1. 98

Die Einschätzung von Gerd Rosenkranz, daß sich das Thema Atomenergie mangels Wirtschaftlichkeit quasi von selbst erledigen wird, können wir nicht teilen. Im Gegenteil: Betrachten wir die Aktivitäten des deutschen Atommonopolisten Siemens sowie die unterstützende Politik der Bundesregierung, kann man eher von einer Renaissance der Atomindustrie sprechen.

Die mangelnde Auftragslage im Inland hat Siemens genutzt, um in fast allen Ländern Osteuropas, in Asien und Lateinamerika Planungen für neue Atomkraftwerke bzw. die Fertigstellung oder Nachrüstung von älteren Projekten voranzutreiben. Siemens wird dabei von der Bundesregierung massiv gefördert und unterstützt. Im Inland ist es Siemens, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, gelungen, die bei der Jahrestagung Kerntechnik im Frühjahr formulierten Forderungen zum Teil wortgleich in die Novelle des Atomgesetzes einzubringen. Diese Änderung wird mit Recht als „Lex Siemens“ bezeichnet und bedeutet unter anderem die Aushebelung von regionalen und kommunalen Bürgerrechten bei neuen Baugenehmigungsverfahren und die Absenkung des Sicherheitsstandards bei der Nachrüstung von Altreaktoren.

„Das Unternehmen sieht in der Kernenergie die wesentlichste Option zur Lösung der zukünftigen globalen Probleme der Energieversorgung und der Umwelt“ (Eberhard Sommer in atw, Internatinoale Zeitung für Kernenergie 8./9. August 1997). Die kürzlich bekanntgewordene Fusionierung der Nuklearabteilung von Siemens mit der britischen Atomfirma BNFL und die Übernahme des amerikanischen Kraftwerkherstellers Westinghouse muß in dem Zusammenhang gesehen werden, daß Konzernchef Pierer die Devise ausgegeben hat, in den Kerngeschäftsbereichen die Nummer eins auf dem Weltmarkt zu werden. [...] Die unangefochtene, aber letztlich recht einsame Position von Siemens könnte andererseits die Basis sein für ein Ende der Atomenergienutzung in Deutschland. Über 130 Organisationen aus der Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung, Ärzteverbände, kirchliche und politische Gruppen haben sich seit 1993 zusammengeschlossen, um Siemens mit einem Boykott sämtlicher Siemens-Produkte zur Aufgabe des Atomgeschäfts zu bewegen. [...] Sandy Santen für den Koordina-

tionskreis Siemens Boykott,

Berlin

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