piwik no script img

Rekordverlust bei der FDPWählerwanderung durchs Saarland

Die FDP verliert fast 90 Prozent ihrer Anhänger, die Grünen sind knapp wieder im Landtag. Die Piraten und die CDU punkten bei der Jugend.

Gelb-blauer Abgang. Bild: reuters

BERLIN taz | Es war die dramatischste Zahl des Abends: Rekordverdächtige 88 Prozent ihrer Wähler hat die FDP im Saarland verloren – und das in gerade mal zweieinhalb Jahren. Bei der letzten Landtagswahl im August 2009 hatten noch 49.064 Saarländer für die Liberalen gestimmt. Am Sonntag waren es laut vorläufigem amtlichem Endergebnis nur noch 5.871. Mit ihren 1,2 Prozent landete die FDP sogar noch hinter der Familienpartei, die auf 1,7 Prozent der Stimmen kam.

Die Anhänger der FDP haben ihre Partei offenbar aufgegeben. Laut einer vom Umfrageinstitut Infratest dimap für die ARD erstellten Analyse ist fast ein Viertel der ehemaligen FDP-Wähler zur CDU abgewandert. Große Teile sind erst gar nicht mehr an die Urne gegangen oder haben für die SPD gestimmt.

Am wenigsten konnten die Grünen vom Einbruch der FDP profitieren – am Ende aber haben genug ehemalige FDP-Wähler für die Grünen votiert, dass diese wieder ins Landesparlament zurückkehren konnten. Mit 5,03 Prozent lagen die Grünen gerade einmal 185 Stimmen über der Fünfprozenthürde. Viele frühere Grünen-Wähler wiederum sind zur SPD oder den Piraten gewechselt.

Zu den Verlierern gehört auch die Linkspartei. Sie schrumpfte von 21,3 auf 16,4 Prozent, steht damit im Saarland aber immer noch deutlich besser da als im Rest Westdeutschlands. 2009 hatte Oskar Lafontaine seine Partei von zuvor 2,3 auf über 20 Prozent katapultiert.

Ganz vorne landete am Sonntag die CDU. Sie konnte gegenüber der letzten Wahl prozentual sogar noch leicht zulegen. Dabei kam der Union aber die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung zugute. Absolut bekam sie 15.000 Stimmen weniger als noch im Jahr 2009.

Tatsächlich Wähler dazugewinnen konnten nur SPD und Piraten. Die Sozialdemokraten haben laut ARD-Wahlanalyse von allen bisher im Parlament vertretenen Parteien nahezu gleichermaßen Stimmen abgezogen. Andererseits haben sehr viele einstige SPD-Wähler diesmal gar nicht abgestimmt. Gleichzeitig verlor die SPD deutlich an die Piraten.

Die Saarland-Newcomer haben auch bei allen andern abgestaubt – in erster Linie bei der Linkspartei. Besonders erfolgreich waren sie überdies bei den Erstwählern: Von denen stimmten sogar 23 Prozent für die Piraten. In dieser Gruppe liegen die Piraten etwa gleichauf mit der CDU – und weit vor der einstigen Jugendpartei Grüne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • B
    Breitenbürger

    Der wahre Grund, dass die FDP abschmiert ist der Neoliberalismus und Kapitalismus für den sie steht, in einer Zeit, wo 98 % der Bevölkerung schon wissen, dass der Kapitalismus, den wir haben, ausgedient hat, weil er das Gemeinwesen und die Welt zerstört. Wir brauchen jetzt 15 Jahre Sozialismus auf der Welt, dann sollten wir für 15 Jahre im Wechsel wieder den Kapitalismus einführen, usw., denn jede Macht, die länger am Hebel sitzt, missbraucht die Macht. Das wusste schon George Orwell in "Animal Farm". Kuba braucht jetzt gerade den Kapitalismus. Russland hat den Sozialismus 20 Jahre hinter sich und schon jetzt zeigt sich dort der Kapitalismus in seiner hässlichsten Form. Moskau hat die meisten Milliardäre einer Großstadt, die nicht wissen, mit welchem Luxus sie das Geld ausgeben, während es am Rande dort große Armut gibt. Ein Tragik. Die Mischform "Soziale Markwirtschaft" wäre ja die Alternative, aber sie muss hart gefahren werden, z.B. müssten wir jetzt sehr bald über eine hohe Steuer bei sehr großen Vermögen und Erbschaften mit hohen Freibeträgen eine komplette Staatsentschuldung hinbekommen, damit die Kommunen Geld haben für Kinder, für die Pflege von Straßen und Schultoiletten, usw. Wahrscheinlich wissen das schon alle und wir brauchen Politiker, die dafür auf den Tischen hauen können.

  • KS
    Kritische Stimme

    Das Volk hat ihre Meinung schon ueber die FDP gebildet Die FDP hat mit ihren wirtschaftsliberalen Ideen wobei alle Kontollmechanismen in der Wirtschaft ueber Bord geworfen wurden,die erste Finanzkrise aus den USA nach Deutschland geholt,welche jetzt in die Eurokrise gefuehrt hat.Auch wurde die Kriegspolitik der Union voll unterschrieben und Westerwelle war in seinem Amt als Aussenminister ein begeisteter Afganistanbesucher,wobei er die Volksgefuehle die zu 80% diesen Krieg ablehnen voellig ignoriert hat.Sehr begeistert hat Westerwelle die Sanktionen gegen den Iran mitgemacht,mit Kosten beim heutigen Oelpreis 150 miliarden $/Jahr,oder 1,5 mio Arbeitslose europaweit.Seitdem die Zeitungen die bevorstehende Bombardierung von Iran durch Atomstaat Israel melden,stellt sich heraus das das falsche Land sanktioniert wurden mit katastrophalen Folgen fuer die europaeische Wirtschaft.Mit Westerwelle in der Partei braucht die FDP keine Feinde

  • P
    Pecuchet

    Wichtiger als die Wählerwanderung finde ich die aktuelle Tendenz zur Blockbildung der großen Parteien. Da die SPD heute wie die CDU denkt (mit den Linken darf man angeblich nicht regieren, denn die sind "Igitt"), wählt man automatisch CDU wenn man SPD wählt! Auf diese Wiese ist der Trend zur großen Koalition im Bund vorgehahnt, wobei die SPD mutmaßlich die CDU auf Jahre nicht überholen wird.

     

    Der Gewinner der Wahl heißt in Zukunft automatisch CDU, auch wenn das bürgerliche Lager rechts von der Mitte selbst bei EInberechnung der Grünen auf max ca. 45% kommt! Ich finde das langsam merkwürdig, als ob der politische Stillstand nicht abzuwenden wäre. Ich wünschte mir eine SPD Führung, die auch mal wieder den Mumm hat zum Regieren! In NRW hat es doch auch geklappt!