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Kommentar SPD nach der WahlWeder anders noch besser

Kommentar von Tom Strohschneider

Die SPD fürchtet die demobilisierende Kraft der Aussicht auf eine große Koalition. Wer keine wirkliche Alternative darstellt, muss sich darüber nicht wundern.

M itunter braucht es sehr lange, bis in der Politik aus Erfahrung Erkenntnis wird. Dass große Koalitionen für die SPD keine Werbemaßnahmen sind, müssten die Sozialdemokraten nach der bundespolitischen Schrumpfkur ab 2005 eigentlich noch vor Augen haben. Und dass ihr eine Juniorpartnerschaft mit der CDU auch auf Landesebene nicht viel bringt, steht unter anderem in den Geschichtsbüchern von Sachsen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein.

Heiko Maas hat im Saarland trotzdem und sogar schon vor der Wahl die SPD an die Union versprochen – der kleinen Niederlage am Wahlsonntag, seit dem die Sozialdemokraten trotz Stimmengewinnen als Verlierer dastehen, wird beim nächsten Urnengang eine große Abrechnung folgen.

Vor ihrem Erfahrungshintergrund klingt es schon fast ein wenig lächerlich, wenn führende Sozialdemokraten jetzt mit der für sie offenbar überraschenden Überlegung hausieren gehen, die Ergebnisse von Saarbrücken könnten als Absage von SPD-Basis und Anhängerschaft an Große Koalitionen verstanden werden.

„Die Aussicht auf eine große Koalition mobilisiert die SPD-Anhänger einfach nicht“, sagt Generalsekretärin Andrea Nahles. Und auch Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann robbt sich an den Gedanken heran, dass Bündnisse mit der CDU „für die SPD kein Wähler mobilisierendes Thema“ sind.

Heureka! Nur: Was folgt daraus? Noch vor ein paar Wochen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel behauptet, für die Sozialdemokraten gehe es „nicht um einen Wahlkampf gegen die Kanzlerin Merkel“, im Herbst 2013 stehe „eine Richtungswahl, keine Lagerwahl“ an.

So spricht, wer in den Umfragen erkennt, dass es für Rot-Grün am Ende gar nicht reichen könnte. Nur ist das eben nicht zuerst eine Frage der demoskopischen Wasserstände, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus: Weil SPD und Grüne gar nicht als wirkliche Alternative zum Merkelismus gesehen werden, fällt auch die Zustimmung gering aus.

Bild: privat
Tom Strohschneider

ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Furcht vor der eigenen Courage

Es sollte die beiden Parteien, die sich in zentralen Fragen wie der Eurokrisen-Politik als Teil des austeritätsgläubigen Zentrums verstehen, nicht überraschen. Tut es aber offenbar doch.

Noch vor der Saarland-Wahl wurde über eine Bestandsanalyse aus dem Willy-Brandt-Haus berichtet, in der sich die Sozialdemokraten attestieren, dass ihr Forderungskatalog „zu vielfältig und zu unübersichtlich“ sei und die politischen Antworten der SPD nicht „an der Lebensrealität anknüpfen“. Wenn darin vornehmlich ein Kommunikationsproblem gesehen wird, zeigt das, wie wenig die Partei begriffen hat – oder wie groß ihre Furcht vor der eigenen Courage ist.

Die SPD versucht, ihre vergleichsweise geringe Attraktivität als Oppositionskraft in einem Ähnlichkeitswettbewerb mit der Regierung zu verbessern. Solange das so bleibt, hilft es auch nicht, im Wahlkampf auf den Ladenhüter große Koalition zu verzichten. Denn am Ende interessieren sich die Leute gar nicht so sehr für die Farbvarianten einer Regierung, sondern für das, was diese politisch umsetzt und welche Auswirkung das auf das eigene Leben hat.

In der Mitte, auf deren Eroberung die SPD dereinst so stolz war, ist es in der Ära Merkel eng geworden. Vom Mindestlohn über die Finanztransaktionssteuer bis zur Außenpolitik – auf vielen Feldern stehen sich die Parteien gegenseitig auf den Füßen.

Auf die Mehrfachkrise des real existierenden Kapitalismus – Umwelt, Wirtschaft, Verteilung - sucht ein schwarz-gelb-rot-grüner herrschende Block mit ökologischer Modernisierung zu reagieren, man erkennt allenfalls graduelle Unterschiede – etwa in der Frage, welche Elemente eines autoritären Neoliberalismus – Schuldenbremse, Finanzialisierung, Prekarisierung - unangetastet bleiben sollen. 1998 war das sogar der Slogan der Schröder-SPD: „Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser“, hieß es damals. Mit den politischen Aufräumarbeiten sind die Sozialdemokraten immer noch beschäftigt.

„Es muss anders werden, damit es wieder besser wird“, geistert jetzt als mögliches Wahlmotto für 2013 in der SPD-Zentrale herum. Solange die Partei nicht auch inhaltlich für eine wirkliche Alternative steht, bleibt das bloßes Marketing.

„Was ist links?“, hat sich Gabriel dieser Tage in einem Interview selbst gefragt und geantwortet, dabei gehen es nicht vorrangig um solche Dinge wie die Rentenversicherung. Dabei schlägt sich in deren Organisation doch mit gravierenden Auswirkungen nieder, wie Politik den Widerspruch von Interessen, den zwischen Kapital und Arbeit organisiert. Der SPD-Vorsitzenden redete sich stattdessen mit dem Hinweis auf die „Kraft des Arguments“ heraus. Hat die SPD welche?

Sozialdemokratische Politik in einem alten, aber keineswegs überholten Sinne heißt, sich zu entscheiden, für wen es „besser“ werden soll - und was man dafür, gegen starke Kräfte, die es als Profiteure der Verhältnisse gar nicht „anders“ haben wollen, bereit ist durchzusetzen. Man darf zweifeln, dass diese Erkenntnis in der SPD zurzeit viele Anhänger hat. Solange das so bleibt, ist auch der Unterschied zwischen Rot-Grün und einer großen Koalition ziemlich klein.

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10 Kommentare

 / 
  • SD
    Sebastian Deutschmann

    Ein sehr treffender Kommentar. Man zähle spaßeshalber mal die Stimmen von SPD, Linken, Grünen und von mir aus auch Piraten an der Saar zusammen. Satte Mehrheit. Selbst für Rot-Rot hätte es knapp gereicht.

  • D
    Detlev

    Die SPD hat früher eine Regel gehabt: Niemals große Koalition. Besser gut verlieren und dann richtig gewinnen, als sich vereinnahmen lassen. Neue Parteien, die Grünen, die Linke und jetzt die Piraten lassen die SPD aber ihrem alten Gesetz untreu werden und damit erzeugen sie erst recht Ratlosigkeit bei ihren Sympathisanten und Wählern. Und damit beginnen dann die Probleme.

     

    Für mich hat die SPD dort ihr Kernproblem, wo ihre Chancen am größten sein könnten: Beim sozialen Ausgleich in der Gesellschaft. Wenn der Partei hier nur auf Parteitagen auffällt, wo es schlecht läuft, reicht das nicht aus. Auch die Establishment-Nähe vieler Führungsgenossen schadet der SPD, denn deren Wähler haben meist einen Golf vor der Tür und rechnen mit ihrem Einkommen. Vieles, was die SPD macht, prallt an diesem Klientel ab oder trifft auf Widerstand. Und Maas Hauptziel, das Saarland finanziell zu sanieren, bzw. die Müller-Jahre aufzuarbeiten, hat keine echte Attraktivität für solche Leute.

  • T
    TastenPunk

    Lieber Tom Strohschneider, Sie haben den Nagel bzw. die SPD auf den Kopf getroffen. Sehr guter Kommentar! Die Grünen laufen in genau diesselbe Falle...

  • S
    Sabine

    Ich verstehe die Leute nicht, die die SPD oder die Grünen heute noch wählen.

     

    Seitdem sie die Agenda 2010 mit Leiharbeit und Niedriglöhnen und das Schikanegesetz Hartz-Iv eingeführt haben, sind beide Parteien unwählbar.

     

    Die Wahlkampfpropaganda dieser beiden Parteien kann doch angesichts ihrer faktischen unsozialen, neoliberalen Politik (u.a. Deregulierung der Finanzmärkte durch Rot-Grün!)kein denkender Mensch ernst nehmen.

  • HG
    Hajü (KV Grüne Düsseldorf)

    Ralf Fücks, Vorstand der Grünen Heinrich-Böll-Stiftung, gestand bei einer Veranstaltung zum Ausbruch der Finanzkrise, 2008, dass er dabei war, als Schröder-Fischer, also Rot-Grün von den Kapitalvertretern die "Pistole auf die Brust gesetzt" bekommen hätten, entweder die Deregulierung voranzutreiben, oder man würde sich aus Deutschland zurückziehen.

    Angesichts der Macht des globalisierten Kapitals, muss(te) "Realpolitik" sich unterwerfen. Gegen den käuflichen "mainstream" der Leitmedien, lässt sich schwerlich regieren. Die Ökosteuerkampagne der Blöd kostete eine rot-grüne Landtagsmehrheit nach der anderen, bis zur Patt- und Blockadesituation durch den Bundesrat.

    Bleibt allein die Rolle des Bittstellers, es nicht zum Äußerten kommen zu lassen, und bitte doch nicht die Kuh zu schlachten, die doch qua Schuldenrückzahlung und Zinsbedienung bis 2500 die Milch geben soll.

  • A
    anke

    Die angeblich sozialdemokratische Entscheidung, für wen es "besser" werden soll, ist längst getroffen, Herr Strohschneider. Die "Profiteure der Verhältnisse" die es gar nicht anders haben wollen als es ist, sind nicht beim politischen Gegner der SPD zu Hause, sondern eher im Willi-Brand-Haus selbst. Diese Leute pfeifen auf den Unterschied zwischen Rot-Grün und einer großen Koalition, so lange die SPD noch über 5% und damit als Koalitionspartner in Frage kommt. Für eine Hand voll Führungskräfte nämlich wird die Macht immer reichen, egal wer regiert. Und wenn die Erkenntnis, es ginge in der Politik nicht um den eigenen Vorteil sondern um den der Wähler, zurzeit recht wenig Anhänger hat in der SPD, dann liegt das eindeutig daran, dass in hierarchischen Systemen immer diejenigen das Personal einstellen, die weiter oben sitzen. Demokratie? Schön wär's! Bevor in der SPD wieder eine "kritische Masse" existiert, geht sie ein, und diesmal sogar ganz ohne Vereinigungsparteitag.

  • E
    erichausdeminternet

    Die SPD hat es bereits in mehreren Legislaturperioden versäumt, sich nach Schröder wirklich zu reformieren und inhaltlich neu aufzustellen. Stattdessen regieren irgendwelche "Stones" die Debatten, die selben Gestalten wie unter Schröder schon. Und mehr oer weniger die selbe Agendapolitik. Alles irgendie inhaltlich linke, was über wohlfeile Wahlkampfrhetorik hinausgeht, wird weggebissen, alles rechte aber stets hofiert. In ihrem Wahn, die bessere CDU zu sein, huldigte man dem Sarrazin, nickt CDU-Politik ab, mobbte man die Ypsilanti und verbot dem Heiko, mt der linken Mehrheit im Saarland Regierungschef zu werden. Es ist bizarr und unverständlich, und eigentlich nur damit zu erklären, dass alle wacheren Geister, die nötige Reformen verlangen könnten, da längst weg sind. Geblieben sind Karteileichen, Ortsvereinszombies, "populäre" Karrieregesichter und ölige Parteiführer. Die CDU-Wähler wählen weiterhin ihre CDU, paar Naive kreuzen die SPD an und erhoffen sich zum xten Mal soziale Verbesserungen von der Agendapartei. Möge es ihr wie der FDP ergehen, mögen andere ihren Platz einnehmen. Diese Partei braucht wirklich niemand mehr außer denen, die gerne wieder irgendwie an die Fleischtöpfe kämen, aber selbst die CDU hat auch andere potentielle Koalitionspartner. Was ärgere ich mich heute noch, damals Schröder mal gewählt zu werden.

     

    Fool me once, shame on you, fool me twice... Good riddance!

  • S
    Stefan

    Eine kluge Analyse, der man nur zustimmen kann

  • J
    jakob

    Hier ist das Elend der Postschröder-SPD wunderbar auf den Punkt gebracht. Diese Partei braucht kein Mensch. Schade, dass es noch immer so viele Sozialdemokratie-Romantiker alter Schule gibt, die das nicht merken wollen.

  • W
    Weinberg

    Tom Strohschneider gratuliere ich zu diesem Kommentar, denn er hat den Nagel auf den Kopf getroffen!

     

    Ob Schweinchen Schlau und seine SPD-Kumpels allerdings lernfähig sind?

     

    Ich bezweifele es!