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Reisende Trainer

Der Prototyp des coachenden Globetrotters ist Rudi Gutendorf. Als er in China seine fünfzigste Trainerstation erreichte, wurde der mittlerweile 75-Jährige darob sogar ins Guinnesbuch der Rekorde aufgenommen. 1973 war er der erste deutsche Fußballlehrer, der eine ausländische Nationalmannschaft betreute. In Allendes Chile führte er das Team in die WM-Qualifikation für 1974. Mit der letzten Lufthansamaschine, die aus Santiago nach Pinochets Putsch abflog, verließ er das Land. Chile qualifizierte sich für die WM in Deutschland, weil sich die Sowjetunion weigerte, in Santiagos Nationalstadion, Schauplatz von Folter und Mord, anzutreten. Gutendorf betreute danach noch sechzehn weitere Nationalteams, nämlich Bolivien, Venezuela, Trinidad, Grenada, Antigua, Botswana, Australien, Neu-Kaledonien, Nepal (2 x), Tonga, Tansania, Ghana, Fidschi, Zimbabwe, Mauritius und Ruanda.

Wenn von den Anfängen des Soccer in den USA geredet wird, fällt immer noch der Name Dettmar Cramer. Bevor dieser bei Bayern München anheuerte, erfreute er 1974 die Boys aus dem US-Team mit seinen so beliebten wie berüchtigten Langzeitvorträgen über die Grundlagen wissenschaftlichen Kickens. In seine Fußstapfen trat später Hennes Weisweiler, wenn auch nur bei Cosmos New York, wo er den Spielern in kölschem Englisch erklärte: „You must dribble.“

In den Achtzigerjahren kamen deutsche Nationaltrainer zunehmend in Mode, vor allem in Afrika, wo Leute wie Uli Maslo, später beim FC St. Pauli als „Sado-Maslo“ nur schwer gelitten, Eckhardt Krautzun oder auch Sigi Held die Phasen überbrückten, in denen sie in der Heimat keiner haben wollte. Sigi Held war aber nicht nur bei den Ägyptern, einem der renommiertesten afrikanischen Teams, in Amt und Würden, sondern ihn zog es auch in nördliche Gefilde, nach Island, sowie nach Malta. Andere, wie Otto Pfister und eine ganze Palette weiterer Angehöriger der Trainergilde, versuchten es gar nicht erst zu Hause, sondern spezialisierten sich gleich auf Jobs in der Fremde. Klaus Schlappner wiederum widmete sich den Chinesen, die verzweifelt um den Anschluss an die Weltspitze kämpften, den sie mit der WM-Teilnahme jetzt endlich geschafft haben. Schlappner aber musste gehen, als die Qualifikation für die WM 1994 in den USA verpasst wurde.

All das ist jedoch nichts, verglichen mit der Begeisterung, die deutschen Coaches zurzeit in der Welt entgegenschlägt. Je durchschnittlicher die Fußballer selbst daherkommen, desto größer scheint kurioserweise der Wunderglaube an die exorbitanten Fähigkeiten der Bundesliga-erprobten Bankdrücker. Die Länder schienen zum Beispiel geradezu Schlange zu stehen, um das Privileg genießen zu dürfen, von Berti Vogts ins Verderben geschickt zu werden. Fast verzweifelt warben die Schotten um den Kleinenbroicher, der dann auch nahtlos an jene Misserfolgsserie anknüpfte, die er zuvor in Kuwait begonnen hatte. Besonders die Araber sind komplett verrückt nach den Deutschen, wie Bernd Stanges Kurzeinsatz in Oman und Wolfgang Sidkas Erfolgsstory in Bahrain zeigen. Aber auch andere Teile der Welt reißen sich um die Dienste der Deutschen. Ralf Loose darf Liechtenstein zu Ruhm führen, Holger Osieck, einst Assistent von Franz Beckenbauer, weilt in Kanada. Vervollständigt wird das Kaleidoskop der weltweiten Germanisierung des Fußballs von Otto Rehhagel, dem obersten aller Fußballgriechen, und natürlich Winnie Schäfer, der als König von Afrika allerdings fast noch Konkurrenz bekommen hätte. Nigeria wollte allen Ernstes Klaus Toppmöller exklusiv für die WM verpflichten. Am Ende sagte der Leverkusener Coach dann doch ab. Schon wieder Zweiter wäre auch ein wenig langweilig gewesen.

MATTI LIESKE

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