Reisende Dachdecker verunglimpft: Leck mich doch am Hai!

Ein reisender Dachdecker kämpft gegen die Innung – wegen wiederholter Verunglimpfung freier Handwerker als unseriöser Anbieter. Es geht um 12.000 Euro.

Dachhaie gibt es nicht: Ein Bottom-up-Hai als Body-Painting Foto: dpa

BREMEN taz | Der „Dachhai“ lebt. Dabei hatte der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) ihm schon entsagt. Und sich verpflichtet, reisende Dachdecker nicht mehr pauschal als unseriöse Geschäftemacher zu beschimpfen.

Das war 2016. Nun soll der ZVDH eine Vertragsstrafe von 12.000 Euro zahlen, und zwar an den reisegewerbetreibenden Dachdecker Lutz Newiger. Der erstritt damals gegen die Dachdeckerzunft vor dem Bremer Landgericht eine Unterlassungserklärung. Fortan sollte der Verband nicht mehr behaupten dürfen, „Dachdeckerarbeiten können nicht durch umherziehende Gewerbetreibende ausgeführt werden“. Und er wollte künftig nicht mehr sagen, dass die Schäden durch „solche Dachhaie“ in die Millionen gingen. „Es ist eine Unverschämtheit, wie dreist der ZVDH das immer wieder ignoriert hat“, sagt Newiger. „Ich muss mich weiterhin bundesweit verunglimpfen lassen“, so der Kläger. Die Gerichtsverhandlung findet am kommenden Mittwoch statt.

Bei dem Streit geht es um den Kampf der freien HandwerkerInnen gegen die Innungen, die auf dem Meisterzwang beharren.

Jonas Kuckuck, Reetdachdecker und Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der unabhängigen Handwerkerinnen (BUH) geht es um die Abkehr von einem „tief verankerten zünftischen Denken“, das freies Handwerkertum prinzipiell nicht akzeptieren wolle. Der BUH unterstützt Newiger.

Der Meisterzwang, so schrieb der ZVDH in einer Resolution von 2014, verhindere „Betrügereien“ durch „umherziehende Gewerbetreibende“. In der aktuellen Fassung der Resolution steht da nun: Wer einen Dachdecker im Reisegewerbe beauftrage, habe als Kunde „keine Sicherheit, dass irgendein fachlicher Mindeststandard gewährleistet“ ist.

Als Arbeitgeberverband spricht der ZVDH damit für rund 7.500 Mitgliedsbetriebe mit einem Umsatz von etwa acht Milliarden Euro. „Das ist nicht statthaft“, kritisiert Newiger, der nach eigenen Worten einen Gesellenbrief und 18 Jahre Berufserfahrung hat. „Ich muss die gleichen Gewährleistungen übernehmen wie jeder andere Betrieb“, sagt Newiger. Allerdings sagt die Reisegewerbekarte nichts über die Qualifikation aus: Wer sie besitzt, das sagt auch Newiger, „kann fachlich hervorragend oder gar nicht qualifiziert sein“.

Bremen hat seit 1893 eine Dachdeckerinnung, die Gewerbefreiheit ist noch älter. Sie wurde 1935 stark eingeschränkt, zugunsten der Zwangsmitgliedschaften in Kammern und des Meisterzwangs. Letzter ist in vielen Fällen der Grund, warum Handwerker keinen festen Betrieb gründen, sondern mit Reisegewerbekarte arbeiten.

Solche Handwerker, stellte das Bremer Landgericht 2016 klar, würden durch Behauptungen wie die des ZVDH als unseriös dargestellt. In der Deutschen Handwerkszeitung wetterte der ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx 2017 dennoch weiter gegen reisende Handwerker. „In der Regel handelt es sich dabei nicht um ausgebildete Dachdecker“, wird Marx zitiert und bezeichnet sie pauschal als „Geschäftemacher“. Die handwerkliche Leistung „wird dann aber meist fehlerhaft erbracht“. Der Text ist unter dem Titel „Schäden am Dach: Vorsicht Betrüger unterwegs“ erschienen.

Dass es unter freien Dachdeckern schwarze Schafe gibt, ist unstrittig. Aber auch reisende Handwerker hätten „einen Anspruch auf fairen Wettbewerb“, sagt Kuckuck, der dem Zentralverband „Überheblichkeit, pauschalisierende Diskriminierungen und Sündenbockpolitik“ vorwirft. Auch der Verband habe sich an „korrekte Umgangsformen“ zu halten.

Aus Sicht des ZVDH sind Newigers Vorwürfe „völlig unberechtigt“. In dem Interview mit der Deutschen Handwerkszeitung habe Marx „deutlich gemacht, dass eine Unterscheidung zwischen Dachhaien und Reisegewerbetreibenden gemacht werden muss, und diese nicht automatisch gleichzusetzen sind“. Die Strafe werde der ZVDH nicht akzeptieren.

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