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Reisen mit lauter falschen Verlobten ■ Von Reinhard Krause
Es fing schon ungewöhnlich an. Thomas, ein Freund, fragte mich, ob er mir zu seinem Geburtstag eine Reise nach Wien schenken dürfe. Er,mir, zu seinem. Sein Vater hatte ein paar Reisegutscheine für zwei Personen „gewonnen“ und sie seinen Kindern weitergeschenkt. Na klar, ich war dabei.
Die Sache hatte nur einen Haken, wie sich bei der telefonischen Buchung herausstellte. „Und der Name Ihrer Begleiterin?“, säuselte es aus dem Hörer. „Krause, Reinhard.“ Schweigen. „Des geht aber net. Wir ßind an Familienhotel, da müssen'S mit Ihrer Gemahlin oder Verlobten reisen und nicht mit anem ... Bekannten!“ „Aber Herr Krause ist meine Verlobte“, log Thomas das Blaue vom Himmel herunter. Der Wiener Herr gefror zu Eis. Ohne weibliche Verlobte nach Wien? Nie! „Und wenn ich mir die erstbeste Frau von der Straße greife und mit der komme?“ Selbstverständlich, das geht! „Das nenne ich nun skandalös!“
Zum Glück ließ sich der kleinliche Konflikt ein paar Tage später mit einer weiteren heiteren Lüge charmant aus der Welt schaffen. Denn natürlich durfte auch Thomas' Schwester nicht mit ihrer Busenfreundin anreisen. Das war's doch! Thomas entzog mir sein unverhofft gegebenes Jawort und verlobte sich neu mit der erfundenen Exverlobten seiner Schwester. Letztere wiederum wurde jetzt meine Verlobte. Die Buchung war nun ein Kinderspiel.
In Wien bezogen wir wie geplant und unter aufwendiger Heimlichtuerei unsere gleichgeschlechtlichen Zimmer. „Die Damen kommen gleich“, riefen wir ungefragt am Frühstücksbüffet. Bloß keinen Verdacht aufkommen lassen! So gingen zwei verkicherte Tage ins Land. Dann zeigte sich der andere Pferdefuß.
Denn keineswegs war die Reise vollkommen gratis: Wir sollten für ein dubioses Genossenschaftsmodell gewonnen werden. Mit schmeichlerischem Timbre weihte uns der Manager in die hochmögenden Pläne ein. Statt uns ein Ferienhaus zu kaufen, das wir sowieso nur ein Sechstel des Jahres nutzen würden, sollten wir besser Anteilsscheine kaufen. Für eine Einzahlung ab dreißigtausend Mark pro Paar sollte es eine bestimmte Summe an Punkten geben, und die sollten uns berechtigen, in Zukunft ohne weitere Zuzahlung in ähnlich flotten Familienhotels unsere Urlaube zu verbringen. Etwa acht Tage Acapulco im Frühjahr oder sechs Wochen Niederbayern im August.
Wo wir denn sonst unsere Ferien verbrächten? Unsicheres Gedruckse. „Ich mache ja meist Gruppenreisen“, stieß Thomas' Schwester endlich hervor. Das war ein Patzer. „Äh, mit meinem Verlobten zusammen natürlich. Nicht wahr, Schatz?“ Erschrockenes Gekicher. „Ja, mehr so Sprachreisen. Oder nicht?“ Meine Verlobte starrte mich hilflos an. „Sie müssen wissen, hohoho“, versuchte Thomas das versandende Gespräch zu retten, „die beiden sind noch nicht so lange verlobt.“ Der Manager muss uns für völlig debil gehalten haben, aber seine ölige Show war erst vorbei, als wir versicherten, gleich nächste Woche würden wir mit unserer Bank reden.
Am nächsten Tag, dem Tag vor unserer Abreise und zum ersten Mal tatsächlich in trauter Begleitung von unseren erlogenen Verlobten, erschien uns Wien so heiter wie nie zuvor und vermutlich auch niemals wieder.
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