: Reichlich verkrampfte Idee
■ betr.: "Die fünfte Gewalt" von Ben Vart, taz vom 30.3.92
betr.: „Die fünfte Gewalt“ von Ben Vart, taz vom 30.3.92
Es ist nötig und richtig, einem Jürgen Köpcke auf die Finger zu klopfen, wenn er mit Schaum vor dem Mund über den Bundesgerichtshof herzieht: Das „Anti-Raser-Urteil“ ist ja in der Tat alles andere als „bescheuert“.
Ich frage mich nur, warum Ben Vart nicht bei inhaltlicher Kritik bleibt. Stattdessen muß er (frei nach Gremliza in 'konkret‘ — oder wie?) den kritisierten Schreiberling zunächst einmal als „Grammatiksünder“ entlarven, um ihn ganz kunstgerecht fertigmachen zu können — und dabei tritt er selbst ganz gehörig ins Fettnäpfchen. Die Verbform „wir sind geboren“ ist natürlich keineswegs „falsch konjungiert“, wie Ben Vart behauptet. Die (übrigens sehr empfehlenswerte) „Deutsche Grammatik“ von Helbig/Buscha (1991) bezeichnet Bildungen wie „die Tür ist geöffnet“ als Zustandspassiv (S.77). Außerdem läßt sich ja gewiß grammatisch kaum etwas einwenden gegen den Text des bekannten Weihnachtsliedes: „Zu Bethlehem geboren/ ist uns ein Kindelein“.
Überhaupt ist es eine reichlich verkrampfte Idee, daß es etwas „ganz Richtiges“ gäbe, nämlich „(daß wir) geboren wurden“, dann noch etwas „Ersatzweises“, nämlich „(...) geboren worden sind“, und zu guter Letzt dann etwas „Mangelhaftes“, nämlich „(...) geboren sind“. Statt andauernd Fehler und halbe Fehler zu suchen, sollte man lieber froh sein, daß es so viele nuancenreiche Ausdrucksmöglichkeiten gibt — und Ben Vart sollte Herrn Köpcke da angreifen, wo er wirkliche Fehler macht (und das ist bestimmt noch ein gutes Stück Arbeit)! Dr.Winfried Schumacher, Köln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen