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Reibung fürs Auge

■ Klaus Hacks Holzfiguren in der Galerie Rolf Ohse: Der Widerspenstigen Sägung

Wenn man vor ihr steht, muss man den Kopf in den Nacken legen: Über zwei Meter ist sie hoch. Ihr filigraner Rock aus Holz zieht sich in die Höhe, obendrauf ein kleiner hölzerner Kopf. „Hohe Kleid-Figur“ heißt die Skulptur von Klaus Hack. Wie auch seine anderen Figuren, die noch bis zum 15. Juni in der Galerie Rolf Ohse zu sehen sind, ist sie aus einem einzigen Holzstück gefertigt.

Am liebsten verwendet er einheimische Stämme aus Holz wie Kastanie, Linde und Eiche. Mit der Motorsäge, Handsäge und dem Stemmeisen bearbeitet er die Monolithen nach Skizzen, die er voher angefertigt hat. Späne, Unebenheiten und Risse - nichts wird begradigt, geglättet und geschönt.

Dadurch wird auch noch in der bereits abgeschlossenen,fertig bearbeiteten Figur der mühselige Arbeitsprozess und die Widerspens-tigkeit des Materials deutlich.

Ein Rock wie ein umgedrehter Bienenstock, darauf ein unterdimensionieterr Kopf, der an ein Insektenhaupt erinnert. „Bienenwabenkleid“ heißt die rund ein Meter hohe Figur aus Kirschbaumholz.

Der Rock als Wabe wiederholt sich immer wieder in seinen Skulpturen. „Vielleicht hat er sich von Jugenderinnerungen inspirieren lassen. Klaus Hack ist auf dem Land aufgewachsen“, vermutet Rolf Ohse, der die Ausstellung betreut. Es könnte auch ein Symbol der Sättigung sein. Andere Figuren erinnern die Betrachter an große Idole aus Afrika oder Neuseeland. Aber auch geschnitzte Volkskunst kommt einem in den Sinn.

Auch weibliche Göttinnen der griechischen Kykladeninseln aus der Antike glaubt man zu erkennen. Wieder andere verweisen auf die Darstellung von Thronfolgern im Mittelalter, wie die „Figur im Kleid“ von 2002 aus Eichenholz. Sie sieht aus wie ein mächtiger Herrscher, der mit schweren Mänteln behängt ist und auf einem unumstößlichen Thron sitzt.

Die Figuren seien in sich autonom, so Ohse. Hack ließe sich zwar von Zeitungsausschnitten oder Abbildungen in Kunstbänden inspirieren, seine Figuren bilden aber fast nie etwas ab, sondern lassen dem Betrachter die Freiheit für unterschiedliche Interpretationen.

Gotische Kathedralen mit ihren luftigen Ornamenten - noch Frau oder doch Gebäude? Einige Ausstellungsstücke funktionieren wie Kippbilder. Je nachdem, wo man steht, nimmt man die „Lange Figur im Kleid“ aus Lindenholz als weibliches Wesen oder als Gebäude wahr.

Die meisten Holzwesen sind mit weißer Farbe bemalt. „Aber auch hier achtet der Künstler darauf, dass die Holzstruktur erhalten bleibt“, sagt Rolf Ohse. Nichts wird mehrmals überstrichen, übergetüncht oder durch satte Farbe geglättet. In den Höhlen und Nischen der hölzernen Röcke ragen Splitter hevor; die Struktur des Holzes bleibt stets sichtbar. Eine Reibung fürs Auge also.

Kreuze oder riesige Trompeten statt Arme: Bei einigen seiner Arbeiten verfremdet Hack bewusst die Körperteile. Und lädt mit diesem Mittel wie auch mit den anderen Charakteristika zu einer anregenden Fantasiereise beim Betrachten seiner Figuren ein.

Uschi Behrendt

Die Ausstellung „Die Braut - Reifrock und zwei Kreuze“ ist noch bis zum 15. Juni in der Galerie Ohse (Contrescarpe 36) zu sehen. Geöffnet werktags von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 18.30 Uhr. Samstags von 10 bis 13 Uhr.

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