Reibereien im Rodelverband: Deutsch-deutsche Rodelmauer

Glücklichster in Sotschi ist Georg Hackl – denn alles Gold ging an seine rodelnden BayerInnen. Unmut der Thüringer wird als Spielverderberei abgetan.

Thronend über seinen Schützlingen, Georg Hackl. Bild: dpa

Im deutschen Rodelverband könnte eitel Sonnenschein herrschen. In den vier Wettbewerben im Sanki Sliding Center von Krasnaja Poljana gewannen dessen RodlerInnen viermal Gold – eine überragende, wenn auch zu erwartende Bilanz. Nach den Einzelsiegen von Felix Loch, Natalie Geisenberger sowie den Doppelsitzern Tobias Wendl und Tobias Arlt folgte am Donnerstagabend auch noch der krönende Abschluss der vier im Teamwettbewerb.

„Auf das Siegerpodest passen definitiv vier Rodler, aber wenn es eng wird, kuscheln wir ein bisschen“, kommentierte Geisenberger die harmonische Stimmung unter den deutschen Siegfahrern. Alle vier sprangen dann auch synchron und händchenhaltend auf das Podest.

Nicht so recht zur Kuschelstimmung passen wollte hingegen Tatjana Hüfner, hinter Geisenberger Silbermedaillengewinnerin im Einzel. Auf der Pressekonferenz nach ihrem Wettbewerb brach aus ihr heraus, was sie nach eigenem Bekunden lange heruntergeschluckt hatte: „Mir wurde vieles schwer gemacht, und mir wurden viele Steine in den Weg gelegt. Ich habe den Eindruck, dass eine Natalie Geisenberger deutlich mehr Unterstützung bekommt“, beklagte sich Hüfner mit Blick auf den Rodelverband. Angesprochen fühlen durfte sich auch Techniktrainer Georg Hackl.

Der Hackl-Schorch, Jahrhundertrodler, bayerisches Maskottchen und CSU-Kommunalpolitiker, sitzt am Stützpunkt im bayerischen Berchtesgaden, wo er das Jahr über einen Teil der deutschen Rodler um sich herum versammelt – darunter ausgerechnet jene vier Sieger von Sotschi. Hackl hat seine Trainingsgruppe namens „Sonnenschein“ aufs Siegen getrimmt und ihre Schlitten so präpariert, dass sie jenen der Konkurrenz um Längen überlegen sind. Das konnte er schon zu seiner aktiven Zeit, das kann er immer noch.

Lieber nicht mit Hackl anlegen

Ausgestattet mit der Autorität von drei olympischen Goldmedaillen und zehn WM-Titeln, gibt Hackl so etwas wie den inoffiziellen Chef des Rodelverbandes ab. Ihm kann niemand etwas. Das musste auch Hüfners Trainer André Florschütz erfahren. Im Sommer wurde er vom Verband entlassen. Dem Oberhofer Stützpunkttrainer wurde Illoyalität und mangelnder Teamgeist vorgeworfen; angeblich war er mehrfach mit Hackl aneinandergeraten.

Hüfner begründete nun ihren Frust explizit mit dem Rausschmiss ihres Trainers, der Stachel sitzt immer noch tief. Es zeigt sich, dass der Graben im deutschen Rodelverband entlang der alten DDR-BRD-Grenze verläuft, zwischen Thüringen und Bayern.

Georg Hackl interessiert das wenig – denn er steht auf der Seite der Gewinner. Hüfner solle sich über Silber freuen „und nicht die Stimmung schlechtmachen“, war alles, was ihm zur Kritik der Athletin seines Teams einfiel. Hüfners Kritik fand überwiegend wenig angenehmen Widerhall.

Rodelbundestrainer Norbert Loch, 17 Jahre lang bayerischer Landestrainer in Berchtesgaden und Vater des Goldmedaillenrodlers Felix Loch, ebenso ablehnend: „Im Moment sind es die Athleten, die Topleistung abrufen, nicht weil der Hackl einen guten Schlitten baut“, hielt er Hüfner entgegen. „Dass die Tatjana sich etwas benachteiligt gefühlt hat, ist, glaube ich, nachzuvollziehen, aber in der Sache nicht richtig.“

Solidarität nur aus Oberhof

Nur einer sprang Hüfner zur Seite, der Rodel-Routinier David Möller, der ebenfalls in Oberhof trainiert. Im Vorfeld der Spiele seien die Rahmenbedingungen für die Psyche der Sportler „sehr ungünstig“ gewesen, sagte der 14. im Einzelwettbewerb von Sotschi. „Und wenn man dann beim Höhepunkt Olympia keinen Ansprechpartner hat, dem man vertraut, dann ist das schwierig.“

Anhand solcher Aussagen tritt die Spaltung des deutschen Teams offen zutage. Sportler, die weder im Trainerteam noch im Verband Vertrauenspersonen haben, können schwerlich ihr ganzes Leistungsvermögen abrufen. Vonseiten des Rodelverbandes wird der Konflikt dennoch abmoderiert, zugedeckt von der Flut ausschließlich bayerischer Goldmedaillen, nach dem Motto: Sollen Hüfner und Möller doch nicht so bockig sein und die Selbsttrunkenheit des Verbandes nicht stören.

Zwar sagt Bundestrainer Loch zur imaginären Mauer im Team: „Ich kann nur hoffen, dass das nicht weiter irgendwo auseinanderdriftet“, fügt dann aber hinzu: „Es gibt da nicht diesen Ost-West-Konflikt. Wir werden das moderieren, da sind wir auf einem guten Weg.“ 25 Jahre nach der Wende wird das auch Zeit.

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