Regulierung von Facebook: Nichts ist für umme
Facebook-Lobbyist Nick Clegg lobt die Dienste seines Mediums und ruft nach mehr Regulierung. Hinter seinem Plädoyer steckt aber Eigeninteresse.
D er frühere britische Vizepremier Nick Clegg war am Montag Gast der Digital-Live-Design-Konferenz (DLD) 2020 in München. Clegg wurde im Herbst 2018 von Facebook gekauft und macht seitdem als Kommunikationsschleuder Gutwetter für den Laden. Sein Auftritt beim DLD in München sorgte dann auch für Schlagzeilen.
„Wir müssen reguliert werden“, lautet der Titel seines fast schon flehentlichen Interviews in der Süddeutschen Zeitung. „Wir wollen Regulierung nicht verhindern, ganz im Gegenteil“, schreibt Clegg auch in einem Gastbeitrag für die FAZ, wo er frömmelt: „Wir akzeptieren die Notwendigkeit neuer Regulierung in vielen Bereichen nicht nur seit Langem, sondern wir möchten auch die Umsetzung endlich angehen.“ Seine unterschwellige Botschaft: Die Politik komme nicht aus dem Quark, und Facebook habe sich nichts vorzuwerfen. Dazu ließe sich viel sagen. Zum Beispiel, dass Clegg immer die gleiche Platte abspielt.
Leider wusste beim DLD am Montag noch niemand, dass die Saudis Jeff Bezos WhatsApp-Account gehackt hatten. Der Amazon-Chef ist im Nebenjob ja auch noch Besitzer der Washington Post, für die der von den Saudis ermordete Kolumnist Jamal Khashoggi geschrieben hat. Dabei machen Facebook und Töchterlein WhatsApp aufs Schönste klar, was so alles schieflaufen kann in der digitalen Welt. Bei Facebook lassen sich verdeckt Manipulation, politischer Quatsch und Hass verbreiten. Und bei WhatsApp sorgen verkürzte Nachrichten sowieso und immer für Missverständnisse, die im direkten Gespräch so nie passieren würden.
Das Bundeskartellamt prüft
Clegg hat in München natürlich alle Vorwürfe, Facebook sei ein Demokratie- und Kommunikationskiller, mit Empörung zurückgewiesen. Zehntausende „Cleaner“ arbeiteten schließlich weltweit daran, den Dreck wegzuräumen. Seit 2016 habe Facebook die Anzahl irreführender Informationen um 50 Prozent reduziert, so Clegg. Was im Umkehrschluss leider heißt, dass das Glas immer noch halb voll ist. Und nun solle die Politik doch bitte mal gefälligst regulieren. Natürlich auch, um auszuschließen, wovor Facebook am Ende wirklich Angst hat.
Denn Wettbewerbshüter wie das Bundeskartellamt prüfen derzeit, ob die Konzerne nicht längst zu mächtig sind und zerlegt werden sollten. „Um sicherzustellen, dass Technologie im Sinne der Gesellschaft genutzt wird, ist es besser, die Technologiebranche zu regulieren, als schlichtweg erfolgreiche Unternehmen zu zerschlagen“, schreibt Clegg deshalb ganz offen in der FAZ. Beim DLD schwärmte er, dass es doch toll sei, der Menschheit Dienste werbefinanziert und damit kostenfrei anbieten zu können.
Womit wir wieder bei Fake News wären; auch das Free-TV war nie kostenlos. Die Werbung zahlen die KundInnen bei ihrem Einkauf. In Cleggs Muttersprache: „If you’re not paying for the service, you’re the product.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt