Regierungswechsel in Niedersachsen: Warten auf Weils Wahl

Ab dem heutigen Dienstag wollen SPD und Grüne regieren – mit nur einer Stimme Mehrheit. Raum für Streit gibt es bereits: Zum Beispiel beim Thema Gorleben.

Der Landtag in Hannover - ab heute wohl mit neuer Mannschaft. Bild: dpa

HANNOVER taz | Es ist die letzte Hürde vor dem Regierungswechsel in Niedersachsen: Heute konstituiert sich der Landtag in Hannover und wählt in geheimer Wahl den Nachfolger von Noch-Ministerpräsident David McAllister (CDU). Die 69 Abgeordneten von SPD und Grünen müssen dann allesamt für den designierten Regierungschef Stephan Weil (SPD) stimmen – denn Rot-Grün hat nur eine Stimme Mehrheit.

Gelingt das, wird Weil auch heute sein Kabinett berufen: Die Grünen Stefan Wenzel (Umwelt), Christian Meyer (Agrar), Gabriele Heinen-Kljajic (Wissenschaft) und Antje Niewisch-Lennartz (Justiz), die SPDler Olaf Lies (Wirtschaft), Peter-Jürgen Schneider (Finanzen), Cornelia Rundt (Soziales), Frauke Heiligenstadt (Kultus) und Boris Pistorius (Inneres). Frauen bleiben bei Rot-Grün, anders als angekündigt, in der Unterzahl, Spitzenpersonal mit Migrationshintergrund fehlt komplett. Schwarz-Gelb konnte mit Aygül Özkan (CDU) die erste türkischstämmige Landesministerin bundesweit vorweisen.

Am Wochenende haben die Parteibasen von SPD und Grünen den Koalitionsvertrag abgesegnet – einstimmig. Zuvor hatten die Verhandlungsführer der Parteien Regierungsprogramm samt Personaltableau im Eilverfahren in nur zehn Tagen aufgestellt.

Agrar- und Energiewende vorantreiben, mehr Kita-Plätze und Ganztagsschulen, kein Atommüllendlager Gorleben, eine humanere Flüchtlingspolitik, die Studiengebühren – außer denen für Langzeitstudierende – abschaffen, das sind die Hauptziele von Rot-Grün. Zugleich steht all das unter Finanzierungsvorbehalt: Ab 2020 greift die Schuldenbremse, 60 Milliarden Euro Schulden werden SPD und Grüne ohnehin übernehmen. „Wir müssen sparen und investieren, das wird die Kunst“, sagt der künftige Ministerpräsident Weil selbst.

Platz für Streit gibt es genug

Gegenwind droht dabei besonders in der Landwirtschaftspolitik – nicht nur von Niedersachsens Agrarlobby und schwarz-gelber Opposition, auch intern. Die angekündigte Agrarwende samt Stärkung bäuerlicher Familienbetriebe sorgt auch in SPD-Reihen für Unbehagen und Sorgen um Arbeitsplätze in der Agrarindustrie. Selbst Weil rühmt die nun als „unglaublich wichtigen Zweig unserer Wirtschaft“ und mahnt seine SPD, darauf zu achten, „dass die Wirtschaft erfolgreich sein kann“.

Schlüsselposten wie die beiden Sitze des Landes im VW-Aufsichtsrat plant er vorsorglich für die SPD zu behalten und nicht mit dem kleinen Koalitionspartner zu teilen, wie es bei Schwarz-Gelb noch Tradition war. Dabei hatte der künftige Umweltminister Stefan Wenzel nach der Wahl noch mit den Worten, „das umweltfreundlichste Auto der Welt muss immer aus Niedersachsen kommen“, deutliche Ansprüche in Richtung VW geltend gemacht.

Bei den Grünen betreibt man unterdessen bereits Vorsorge für den Fall eines Koalitionskrachs: Beim Parteitag am Wochenende haben die künftigen MinisterInnen vehement darum gekämpft, ihre Abgeordnetenmandate, anders als Grüne in anderen Landeskabinetten, nicht abgeben zu müssen. „Bei einer Einstimmenmehrheit kann es entscheidend sein, ob ein Minister im Landtag über Stimmrecht verfügt oder nicht“, führte Wenzel an.

Dahinter steht auch die Sorge, man könnte ohne Mandat gegenüber SPD-MinisterInnen mit Landtagssitz weniger Gewicht haben. Zudem riskiert Regierungschef Weil seine Mehrheit, sollte er ein grünes Kabinettsmitglied rauswerfen und zum einfachen Abgeordneten degradieren.

Raum für Streit gibt es genug: Beim Thema Gorleben etwa lässt der Koalitionsvertrag offen, ob der Standort von vornherein ausgeschlossen werden soll – wie es Weil im Wahlkampf stets versprochen hat – oder über strenge Kriterien im bundesweiten Suchverfahren, wie es ein Grünen-Bundesparteitagsbeschluss vorsieht.

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