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Regierungsvereidigung in IsraelDer Mut des Verräters

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Linke im In-und Ausland sind wütend auf Benny Gantz. Dabei verhindert er eine weitere Spaltung Israels.

Benny-Gantz-Plakat vor der Kulisse Tel Avivs Foto: Ariel Schalit/ap

E s ist vollbracht. Israel hat nach mehr als einem Jahr Dauerkrise im politischen Vakuum wieder eine Regierung, die die Wahlergebnisse widerspiegelt. Der Herausforderer Benny Gantz hat sich auf eine Koalition mit Bibi Netanjahu eingelassen, dem langjährigen Anführer des rechten Lagers. Israels Linke ist über die Vereidigung wütend und enttäuscht. Sie sieht den ehemaligen Armeechef Gantz als Verräter an. Hatte er nicht geschworen, der Ära Netanjahu endlich den Garaus zu machen?

Hatte er. Doch dann kam die Realität. Die Wähler*innen in Israel sind nicht weniger als dreimal in einem Jahr zu den Urnen gerufen worden. Gantz hat bis zuletzt darauf bestanden, dass eine Koalition mit ihm nur zustande kommen kann, wenn der wegen Korruption angeklagte Netanjahu seinen Hut nimmt – vergeblich.

Was also hätte Gantz nach Ansicht seiner Kritiker im In- und Ausland denn tun sollen? So lange wählen lassen, bis das Ergebnis dem linken Lager gefällt? Es wird Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Wahlergebnisse nur das zeigen, was ist: Eine starke israelische Linke existiert nur noch in der Erinnerung, das Israel von heute ist mehrheitlich rechts. Zu glauben, für das wahre Israel zu stehen, drückt lediglich linke Selbstüberschätzung aus.

Eine Einheitsregierung mag keine politische Wende bringen, aber im Ergebnis wird sie das Land besser führen können als ein rein rechtes Bündnis. Gantz und seine Minister geben einer großen Minderheit endlich wieder eine Stimme, sie können vieles abmildern und vor allem der tiefen Spaltung entgegenwirken. Die politische Polarisierung hat in Israel – man erinnere sich an das Attentat auf Jitzhak Rabin – in der Vergangenheit schon schlimme Folgen nach sich gezogen.

Gantz mag vielen nun als Verräter gelten, aber er hatte immerhin den Mut, sich seine fortgesetzte Niederlage einzugestehen, Konsequenzen zu ziehen und den Zorn seiner Unterstützer auszuhalten. Dass er seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, um das Wahldrama zu beenden und Israel in der Coronakrise zu stabilisieren, verdient Anerkennung.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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2 Kommentare

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  • Wie kommt die Autorin dazu, zu erwarten, dass Gantz, der sich auch für die offizielle Annektierung des Jordantals ausspricht, irgendetwas abmildern will?

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Die Kommentatorin rechtfertigt den Kurs von Gantz damit, dass "die politische Polarisierung in Israel in der Vergangenheit schon schlimme Folgen nach sich gezogen" habe und veweist auf das Rabin-Attentat. Ist das eine neue Interpretation von Demokratie: dass alle Gewalt vom Volke ausgeht? Dass man Leuten wie Netanjahu besser nachgibt als das Schicksal von Rabin zu teilen, der Frieden mit den Palästinensern suchte und von Netanjahu und seinen Leuten als Nazi verunglimpft einem Attentäter zum Opfer fiel?