Regierungssprecher Stefan Kornelius: Vom Journalismus in die Regierung – dürfen die das?
Übergabe der Sprecherzettel im Kanzleramt. Zwischen Schlips-Renaissance und Merz-Prosa beginnt die Regierungskommunikation erstaunlich oldschool.
D er amtliche Blumenstrauß ging am Montag dann auch an den scheidenden Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Der alte ist raus, der neue ist drin. Das bedeutet auch einen Medienwechsel: Steffen kam von der Frankfurter Rundschau, Stefan, der Neue, von der Süddeutschen Zeitung. Doch bevor der neue Sprecher sprechen darf, kommt Friedrich Merz höchstpersönlich und hält eine derart hölzerne Rede, dass einem im seligen Angedenken an Olaf Scholz fast ein bisschen warm ums Herz wird. Beim neuen Ex-Kanzler blitzte dann und wann immerhin fein-hanseatische Ironie auf.
Alle Anwesenden wollen betont locker sein und witzeln ziemlich gleichlautend über die verschobene Übergabe, weil was dazwischenkam. Merz sagt noch was vom Presseamt als „zentralem Ort demokratischer Kommunikation“, der ehemalige stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner guckt sparsam, und so richtig gute Laune scheint eh nur Hebestreit zu haben. Der will jetzt erst mal Urlaub machen und gibt Stefan Kornelius mit auf den Weg, „nicht so nah an den Sprechzetteln zu bleiben“. Die stecken die Fachabteilungen den Regierungssprechern zu, die unter Merz nicht gegendert werden müssen, weil es alles wieder Männer sind.
Neben Kornelius sprechen künftig Sebastian Hille und Steffen Meyer als Stellvertreter für den Kanzler. Und alle Neuen tragen wieder Schlips, während der Ex-Spiegel und dpa-Mann Büchner ohne Kulturstrick dasitzt und seine Kollegin Christiane Hoffmann sowieso. Sie kam aus dem Spiegel-Hauptstadtbüro, und überhaupt kommen Regierungssprecher*innen fast immer aus dem Journalismus.
Die mit jedem Regierungswechsel wieder aufploppende Frage, ob die das denn dürfen, ist dabei so langweilig wie schnell beantwortet. Ja, natürlich dürfen sie. „Was, Krawatte tragen?“, fragt die Mitbewohnerin. Und wenn sich gar nichts anderes findet, dürfen sie meinetwegen sogar zurück in den Journalismus. Denn die eigenen Ideale kann jedeR – da zitiere ich jetzt einfach mal meine Kolumne zum Ampelantritt 2021 „Vom Journalismus in die Politik“ – auch prima als Journalist*in verraten.
Dann ist endlich Kornelius dran und sagt, dass er diese Debatte auch etwas seltsam findet „wegen dieser unterstellten Gegnerschaft“ zwischen Politiksprecherei und Journalismus. Außerdem redet er lieber frei, „da ist mir aber gesagt worden, das müsse ich mir abgewöhnen“. Weshalb er brav vom Zettel abliest und gleich mild-bürokratische Züge annimmt. „Das Haus ist tatkräftig und engagiert, das spüre ich bei jeder Vorlage, die mich bislang erreicht hat“, sagt Kornelius.
„Etwa so wie die Templates der Bundesregierungs-Briefbögen? Wusste gar nicht, wie tatkräftig Behörden sind!“, sagt die Mitbewohnerin. In ungefähr diesem Duktus war dann auch seine erste Regierungspressekonferenz. Mann trägt eben wieder Schlips.
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