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RegierungsplanTrojaner in der Mail vom Amt

Das Innenministerium will private Computer mit Mails von Behörden ausspionieren. In der Amtspost soll sich Schnüffelsoftware verstecken.

Vorsicht bei Behördenpost: E-Mail-Nutzer am Uni-Computer in Frankfurt am Main Bild: dpa

Die Polizei soll Schnüffelsoftware künftig per elektronischer Amtspost verschicken dürfen. Das legen interne Papiere des Innenministeriums nahe. "In begründeten Ausnahmefällen", so schreibt das Bundesinnenministerium (BMI) von Wolfgang Schäuble (CDU), könne der sogenannte Bundestrojaner auch als getarnte Behörden-E-Mail an Verdächtige verschickt werden. Das müsse allerdings mit der entsprechenden Behörde abgesprochen werden. Das Bundesjustizministerium (BMJ) von Brigitte Zypries (SPD) findet so etwas allerdings gar nicht gut, weil es "das Vertrauen in Mails von staatlichen Stellen beeinflussen könnte".

Am Freitag werden BMI, BMJ und Abgeordnete der Koalitionsfraktionen erneut über die Einführung der sogenannten Onlinedurchsuchung verhandeln. Bisher dürfen Polizei und Verfassungsschutz private Festplatten nicht heimlich ausspähen. Schäuble will allerdings möglichst schnell rechtliche Grundlagen hierfür schaffen. Dagegen sind Zypries und die SPD-Fraktion noch zögerlich. Vor der Sommerpause haben sie umfangreiche Fragenkataloge an Schäuble geschickt, die seine Leute jetzt in zwei je rund zwanzig Seiten langen Vermerken beantwortet haben. Dokumentiert sind die vertraulichen Schreiben im Webdienst www.netzpolitik.org.

So erläutert das BMI, dass das neue Spähwerkzeug "Remote Forensic Software" (RFS) genannt wird, was ungefähr "von außen kommende Ermittlungssoftware" bedeutet. Eine einsatzfähige Version könnte nach Aufhebung des vom Bundestag verfügten Entwickungsstopps "unverzüglich" fertiggestellt werden.

Je nach technischen Voraussetzungen und Verhalten der "Zielperson" gebe es eine "Vielzahl" von Möglichkeiten, das RFS-Tool auf dem Rechner eines Gefährders zu installieren. Den Trick mit den gefälschten Behördenmails hat das BMI nur verraten, weil ausdrücklich danach gefragt wurde. Die Computerviren der Polizei sollen jedenfalls Antivirenprogramme und Firewalls auf dem auszuspähenden Computer unterlaufen können. Allerdings werde eine Firewall dabei nicht ausgeschaltet, der Schutz gegen konventionelle Viren bleibe also voll erhalten, verspricht das Schäuble-Ministerium. Die Hersteller von Informationstechnik würden auch nicht dazu angestiftet, absichtlich Schwachstellen in ihre Soft- oder Hardware einzubauen. Die Spähsoftware würde vielmehr für jeden Einzelfall neu entwickelt, damit sich Betroffene und die Hersteller von Antivirensoftware auf nichts einstellen können. Die Kosten seien deshalb auch noch "nicht bezifferbar". Daher fragt das Justizministerium, wie man mit einem derart aufwändigen Verfahren "dringende" Terrorgefahren abwehren will.

Das BMI unterscheidet in seinem Papier zwischen einer einmaligen "Online-Durchsicht" des Computers und einer längerfristigen "Online-Überwachung". Letztere ist für die Ermittler besonders interessant, weil so auch Tasteneingaben protokolliert werden können, die nicht auf dem Computer gespeichert werden, etwa die Passwörter von externen Datenspeichern. Die neuen Rechtsgrundlagen sollen beides ermöglichen.

Die RFS-Software würde auf dem fremden Rechner bestimmte Dateien suchen und diese, sobald eine Internetverbindung besteht, auf einen Polizeiserver übertragen. Dies könne Minuten bis zu einigen Tagen dauern, wenn der Zielrechner selten online ist. Damit der Überwachte keinen Verdacht schöpft, sollen jeweils möglichst wenig Daten übertragen werden. Schon deshalb habe die Polizei kein Interesse an Tagebüchern, Liebesbriefen und anderen Dateien, die zum besonders geschützten "Kernbereich persönlicher Lebensführung" gehören, versichert das Innenministerium.

Die neuen Paragrafen für die Onlinedurchsuchung werden nicht für das Mitlesen von E-Mails und das Mithören von Internettelefonaten gelten. Darauf will das BMI aber nicht etwa verzichten, vielmehr glaubt es, dass dies schon durch die heutigen Befugnisse gedeckt ist. Auch die Fernsteuerung von Mikrofonen und Webcams im Computer ist nach Ansicht des BMI heute schon im Rahmen der "Wohnraumüberwachung" rechtlich möglich. Ob die neue Software auch zu diesen Zwecken eingesetzt werden könne, werde derzeit aber noch geprüft.

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