Regierungskritische türkische Journalisten: Dündar und Gül sind vorerst frei
Zwar konnten sie das Gefängnis verlassen, das Verfahren gegen sie geht aber weiter. Den beiden türkischen Journalisten droht lebenslange Haft.
ISTANBUL dpa | Nach drei Monaten in Untersuchungshaft sind zwei regierungskritische Journalisten der türkischen Zeitung Cumhuriyet freigelassen worden. Chefredakteur Can Dündar und Hauptstadtkorrespondent Erdem Gül verließen das Gefängnis in der Nacht zum Freitag, wie Cumhuriyet berichtete. Wenige Stunden zuvor hatte das Verfassungsgericht in Ankara entschieden, dass unter anderem das Recht auf Meinungsfreiheit und die Persönlichkeitsrechte von Dündar und Gül verletzt wurden.
Das Verfahren gegen die Journalisten wird allerdings fortgesetzt. Der Prozess soll am 25. März beginnen. Beiden droht lebenslange Haft. Das zuständige Strafgericht in Istanbul verfügte nach der Freilassung aus der Untersuchungshaft laut Cumhuriyet, dass Dündar und Gül das Land nicht verlassen dürfen.
Ihnen werden unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die Veröffentlichung geheimer Informationen und Spionage vorgeworfen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan persönlich hatte Anzeige gegen sie erstattet.
Dündar bedankte sich laut Cumhuriyet nach seiner Freilassung bei den vielen Unterstützern. Er kündigte mit Blick auf den kommenden Prozess an: „Wir werden uns weiter verteidigen.“ Zugleich erinnerte er an jene Journalisten, die weiterhin in der Türkei in Haft sitzen.
Leser*innenkommentare
ayakta
Die Dimension der Unterdrückung der Pressefreiheit ist noch weit größer.
12Stunden nachdem Dündar und Gül aus der gesetzeswidrigen U-Haft entlassen wurden, wurde der Nachrichtensender IMC aus demTürk SAT Funk trotz Vertrag und ohne einen richterlichen Beschluss aus der türk. Fernsehlandschaft verbannt!Die Staatsanwaltschaft hat Türk SAT "gebeten" dies zu tun. Ohne Begründung und absolut gesetzeswidrig. IMC ist eigentl. der einzige seriöse Sender der über den Bürgerkrieg gegen Kurden, Gewalt gegen Frauen, Umweltschutz und die Rechte von Homosexuellen berichtet.
Im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit! Der dreckige Krieg gegen die Kurden und die Opposition führt währenddessen weiter im Stillen Richtung Abbgrund.
Andreas V.
Hier gibt es Petitionen von "Reporter ohne Grenzen", die Erdogans Regierung auch auffordert, die Anklagen gegen Dündar und Gül fallen zu lassen und zudem alle weiteren inhaftierten Journalisten freizulassen: http://rsf.org/petitions/turquie/petition.php?lang=en (International) https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/cumhuriyet-journalisten-freilassen/ (Deutsch)
Wenn schon die Bundesregierung aus taktischen Gründen keine Kritik mehr am totalitären Gebaren Erdogans äußert, muss wenigstens die europäische Öffentlichkeit weitermachen.
Andreas_2020
Und sie kommen frei, weil selbst unter Erdogan das Gericht erhebliche Rechtsverletztungen feststellte. Aber man kann die Uhr danach stellen, wann die liberalen Presse- und Meinungsfreiheitsgesetze geändert werden.