Regierungskrise in Frankreich: Wie kann es weitergehen?
Drei Szenarien, wie das Land auch nach einem Misstrauensvotum regiert werden kann. Der Staatshaushaltsentwurf für 2025 würde vorerst in den Müll wandern.
Ohnehin wird Macron nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum die bisherige Regierung vorerst damit betrauen, die laufenden Staatsgeschäfte weiterzuführen. Und das kann bei Macron, wie man aufgrund seiner langen Bedenkzeit vor der Nominierung von Barnier weiß, dauern.
Der Staatshaushaltsentwurf für 2025 wandert in den Müll. Er gilt als vom Parlament verworfen, wenn bei der Prozedur mit dem Verfassungsartikel 49.3 die Opposition mit Erfolg einen Misstrauensantrag dagegen einsetzt. Und selbst wenn Macron sogleich eine neue Regierung einsetzt, bleibt nicht genügend Zeit, um bis zur gesetzlichen Frist vor Jahresende einen neuen Haushaltsentwurf dem Parlament zur Debatte vorzulegen. Droht im kommenden Jahr ein Frankreich ohne Regierung und Staatshaushalt?
Damit Frankreichs Staat aber weiterhin funktionieren kann, bleiben noch mehrere Optionen. Zunächst kann die Regierung versuchen, den verworfenen Haushaltsentwurf für 2025 trotzdem per Dekret in Kraft zu setzen. Dieser Kraftakt wäre laut mehreren Verfassungsjuristen aber ziemlich fragwürdig und würde wohl vom Verfassungsgericht annulliert. Zweitens kann die (vorläufige) Regierung, gestützt auf den Verfassungsartikel 45, in dieser speziellen Situation eine Gesetzesvorlage mit demselben Staatshaushalt wie für 2024 einbringen und hoffen, dass dies von beiden Parlamentskammern akzeptiert wird.
Wird Macron mit Vollmachten regieren?
Es bleibt eine dritte Möglichkeit, die nicht so abwegig ist, wie sie auf den ersten Blick scheint. Gestützt auf den Verfassungsartikel 16 kann Emmanuel Macron als Präsident in einer Krisensituation Vollmachten geltend machen und ohne Einwände einer Regierung oder des Parlaments seine Haushaltspolitik per Dekret durchsetzen. Vielleicht hatte man zu schnell verdrängt, dass diese von General de Gaulle nach seiner Rückkehr an die Macht 1958 diktierte Verfassung der fünften Republik dem Staatschef eine unvergleichbar große Macht gewährt.
Falls er mit Vollmachten regiert, würde der parlamentarische Einfluss der Parteien wie ein demokratisches Alibi wirken. Der Regierungschef würde auf die Rolle eines ausführenden Untergebenen des Präsidenten reduziert. Die bisherigen Staatschefs änderten daran nichts. Präsident Nicolas Sarkozy formulierte das treffend so: „Der Premierminister ist (nur) ein Mitarbeiter. Der Patron, das bin ich.“ Falls also Macron ganz legal mit Vollmachten herrschen will, würde dies nur in drastischer Weise eine Realität der institutionellen Machtverteilung verdeutlichen.
Agnès Verdier-Molinié ist nicht die Einzige, die argwöhnt, Macron habe selber mit der Auflösung der Nationalversammlung und den Neuwahlen die jetzige Krise nicht nur verursacht, sondern womöglich diese Situation geschaffen, die es ihm erlaubt, ungestört von Regierung und Parlament als Staatschef zu regieren. In Le Figaro meint die für ihre ultraliberalen Stellungnahmen bekannte Politologin, die Abgeordneten, die sich etwas darauf einbildeten, dass sie die Regierung stürzen können, seien also bloß Macrons „Hofnarren“.
Die Oppositionsfraktionen spekulierten darauf, dass Macron selber zur Klärung der verfahrenen Situation zurücktreten werde, um so den Weg für vorzeitige Präsidentschaftswahlen freizumachen. Dies aber sei eine tragische Illusion – und darum auch das Misstrauensvotum zum Sturz des Ministerkabinetts ein Fehler. Auch fünf sozialistische Abgeordnete der NFP sind gegen den Sturz von Barnier.
Wenn aber die 185 Unterzeichner des NFP-Misstrauensantrags und mit ihnen auch 126 RN-Abgeordnete in der Nationalversammlung gegen Barnier stimmen, wäre das Schicksal der Regierung arithmetisch besiegelt. Ob das Macron nun will oder nicht.
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