Regierungskrise im Libanon: Die Hisbollah steigt aus
Die Regierung von Saad Hariri steht nach 14 Monaten vor dem Aus. 10 Minister erklärten ihren Rücktritt. Grund ist das UN-Tribunal zum Mord des Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri.
BEIRUT dpa | Die libanesische Regierung von Ministerpräsident Saad Hariri steht nach nur 14 Monaten vor dem Sturz. Zehn Minister erklärten am Mittwoch ihren Rücktritt, weil Hariri sich nicht von dem UN-Tribunal für die Aufklärung des Mordes an seinem Vater, dem ehemaligen Ministerpräsdienten Rafik Hariri, distanzieren will.
Die Minister, die dem Lager der pro-iranischen Schiiten-Bewegung Hisbollah und des christlichen Generals Michel Aoun angehören, hatten Hariri zuvor aufgefordert, eine Kabinettssitzung einzuberufen. Dabei wollten sie ihre Forderungen in Bezug auf das Tribunal vorbringen. Hariri, der sich derzeit in den USA aufhält, habe sich jedoch geweigert, hieß es aus dem Regierungspalast.
Die Anklageschrift des Tribunals in Den Haag wird noch in diesem Monat erwartet. Darin sollen angeblich mehrere Hisbollah-Mitglieder als Tatverdächtige genannt werden.
Syrien und Saudi-Arabien hatten in den vergangenen Monaten versucht, eine Kompromissformel zu finden, um die Krise in Beirut zu entschärften. Am Dienstag mehrten sich jedoch Berichte, dass diese Vermittlung nun endgültig gescheitert sei. Am Mittwoch rief der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani, den libanesischen Präsidenten Michel Suleiman an, um die Krise vielleicht in letzter Minute doch noch zu entschärfen.
Der Milliardär und frühere libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri war vor sechs Jahren durch ein Bombenattentat in Beirut ums Leben gekommen. Der Mord hatte damals eine Protestwelle ausgelöst, die schließlich zum Abzug der syrischen Schutzmacht aus dem Libanon führte.
Politische Beobachter befürchten, dass die Hisbollah nun auf der politischen Ebene und auf der Straße die Konfrontation mit dem pro-westlichen Hariri-Lager suchen wird. Denn sollte das von der Hisbollah als "israelisches Projekt" geschmähte Tribunal Hisbollah-Mitglieder anklagen und verurteilen, so würde dies dem Ruf der Hisbollah als Widerstandsbewegung gegen Israel schaden.
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