Regierungsbildung in Berlin: Wer hat Angst vorm schwarzen Block?
Drei Männer und drei Frauen sondieren für die CDU mit Grünen und SPD. Nicht alle sind so von Schwarz-Grün begeistert wie Parteichef Kai Wegner.
Ein langjähriger CDU-Funktionär mag sich nichts vormachen: „Für manche an der Grünen-Basis sind wir doch immer noch der Inbegriff des Bösen.“ Ähnliches kann man in diesen Tagen, da seine Partei weiter Möglichkeiten einer schwarz-grünen Koalition auslotet, nicht nur vom ihm hören. Für Dienstag ist die dritte Gesprächsrunde geplant, und wieder wird dann eine sechsköpfige Gruppe der nach politischer Farbenlehre Schwarzen eine gleich große Grünen-Delegation empfangen.
Je drei Männer und Frauen hat die CDU dafür ausgewählt, von denen mindestens zwei bei einem gemeinsamen Senat gesetzt wären. Wer also ist dieser schwarze Block der anderen Art?
Unter den sechs Grünen, die Mitte vergangener Woche zum zweiten Mal auf die am Schöneberger Ex-Gasometer auf sie wartenden CDUler zuschritten, hatte ihre Co-Landesvorsitzende Susanne Mertens die geringsten Berührungsängste. Wangenküsschen mit CDU-Verhandlungsführer Kai Wegner, Umarmung mit Generalsekretär Stefan Evers – pauschale Abneigung sieht anders aus. Das liegt auch daran, dass man sich seit Längerem kennt, teils schätzen gelernt hat. Für einen großen Teil der grünen Parteitagsdelegierten, die bei der Koalitionsbildung viel mitzureden haben, gilt das weit weniger.
Die von Mertens geherzten Wegner (50) und Evers (43) sind die berlinweit bekanntesten Mitglieder der CDU-Delegation: der eine als Spitzenkandidat, Partei- und Fraktionschef – und potenzieller Regierender Bürgermeister; der andere als scharf formulierender Generalsekretär, Stadtentwicklungsexperte und einer von nicht allzu vielen schwulen CDU-Spitzenfunktionären. Generalsekretär war Evers schon unter der von Wegner verdrängten früheren Landesvorsitzenden Monika Grütters – es galt als kluge Entscheidung Wegners, ihn im Amt zu belassen.
Die Grünen haben ihre sechsköpfige Gruppe für die parallelen Sondierungsgespräche mit der CDU einerseits und mit SPD und Linkspartei andererseits folgendermaßen besetzt: Dabei sind Bettina Jarasch, die Verkehrssenatorin und Spitzenkandidatin bei der Wahl am 12. Februar, die beiden seit Ende 2021 amtierenden Landesparteivorsitzenden Philmon Ghirmai und Susanne Mertens, die Doppelspitze der Abgeordnetenhausfraktion, Silke Gebel und Werner Graf, sowie der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Sebastian Walter. Letzterer hatte gleich am ersten Sondierungstag Geburtstag – was CDU-Chefverhandler Kai Wegner mit den Worten „Feiern unter Freunden“ beschrieb. (sta)
Dritter Mann ist der vielleicht erfahrenste Kommunalpolitiker der Berliner CDU und einer ihrer Vize-Landeschefs: Frank Balzer (58) war, bis er 2021 Parlamentarier und Mitglied des Abgeordnetenhauses wurde, 23 Jahre lang Stadtrat und Bezirksbürgermeister in Reinickendorf. Schon mit knapp 34 wurde er erstmals in die Bezirksregierung der CDU-Hochburg gewählt. In der Abgeordnetenhausfraktion besetzt er als innenpolitischer Sprecher die Rolle des christdemokratischen Law-and-Order-Manns. Er gilt als einer, der eine schwarz-grüne Koalition zumindest nicht bejubeln würde.
Das gilt auch für Cornelia Seibeld (48). Dem Vernehmen nach kritisierte sie im Wahlkampf parteiintern Wegners Werben um die Grünen und forderte eine stärkere Distanzierung etwa von der grünen Verkehrspolitik – die dann auch kam. Seibeld ist die Einzige, deren künftiges Amt weitgehend sicher ist: Sie, bisher eine von zwei Stellvertreterinnen, wird bei der für den 16. März angesetzten ersten Sitzung des neuen Abgeordnetenhauses mutmaßlich zur Präsidentin gewählt werden. Den Posten besetzt traditionell die stärkste Fraktion, die künftig die CDU stellen wird.
Seibeld wird die zweite Frau in diesem Amt sein und die erste seit Mitte der 90er Jahre. Sie war 2011 bei Bildung der rot-schwarzen Koalition schon als Justizsenatorin vorgesehen, sagte jedoch wegen ihres damals erst knapp einjährigen Sohns ab. CDU-intern drang Seibeld auf familienfreundlichere und kürzere Sitzungszeiten von Parteigremien.
Als Senatorin gesetzt
Als Senatorin für einen schwarz-grünen Senat gesetzt wäre Katharina Günther-Wünsch (39), die ihre Internetseite mit „kgwberlin“ betitelt. Kai Wegner kündigte schon vor der Wahl an, die in Dresden geborene Lehrerin zur Bildungssenatorin machen zu wollen. Außer bei ihr legte Wegner sich nur noch bei einem zweiten Senatsposten fest – Kultursenator und erster Schwarzer in der Landesregierung würde der Musikmanager Joe Chialo. Als Frau aus dem Osten soll Günther-Wünsch offensichtlich gleich zwei in der CDU-Führung lange wenig repräsentierte Gruppen voranbringen.
Kurz vor der Wahl erweckte sie, die erst seit 2021 im Abgeordnetenhaus sitzt, den Eindruck, sie beabsichtige an der von der SPD festgezurrten Kita-Gebührenfreiheit auch für Gutverdiener zu rütteln. Dann aber wollte sie falsch verstanden worden sein.
Dritte Frau in der schwarzen Sondierungsdelegation ist Manja Schreiner (44), wie Günther-Wünsch und anders als die anderen vier in der ehemaligen DDR geboren und promovierte Juristin. Sie sitzt nicht im Parlament, vertritt die CDU aber seit mehreren Jahren immer prominenter: Erst als Wirtschafts- und Bauexpertin – Schreiner leitet hauptberuflich die Fachgemeinschaft Bau, einen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband für kleine und mittelständische Bauunternehmen – und ist seit 2019 eine von vier Vize-Parteivorsitzenden.
Diese sechs sind also der schwarze Block, mit dem sich die Grünen für Dienstagnachmittag zum dritten Mal verabredet haben. Absehbar gewichtigstes Thema an jenem Tag: die Enteignung großer Wohnungseigentümer gemäß dem Volksentscheid vom September 2021.
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