piwik no script img

Regierung in Griechenland"Katastrophales Krisenmanagement"

Der griechische Europaabgeordnete Theodoros Skylakakis sieht niemanden, der die Krise meistern könnte. Er fordert eine neue Regierung – ohne Politiker.

Alle müssen raus da: Wütende Griechen vor dem Parlament in Athen. Bild: reuters
Ruth Reichstein
Interview von Ruth Reichstein

taz: Herr Skylakakis, Ihr Ministerpräsident Papandreou hat angekündigt, eine neue, parteiübergreifende Koalition zu bilden, um das Land aus der Krise zu führen. Ist das eine gute Idee?

Theodoros Skylakakis: Nein, zurzeit ist keine Partei in unserem Land mehr in der Lage, die Krise zu meistern. Wir brauchen eine Regierung ohne Politiker. Wir brauchen Personen, die keinerlei politischen Ehrgeiz haben und ihre Karriere voranbringen wollen. Sie können meinetwegen aus den Parteien kommen, aber es sollten eher Technokraten sein, die sich mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik wirklich gut auskennen. Sie würden durch das Parlament kontrolliert, und wir würden sie unterstützen.

Das Krisenmanagement trauen Sie den Politikern also nicht mehr zu?

Nein, sie sind viel zu beschäftigt mit ihren Manövern und damit, sich für die Zeit nach ihrer Politikerkarriere abzusichern. Wir brauchen jetzt objektive, ruhige Krisenmanager.

Wie wahrscheinlich sind Neuwahlen?

Das werden die beiden großen Parteien, die ja vorrangig für unsere Krise verantwortlich sind, mit allen Mitteln verhindern. Sie schneiden zurzeit in den Umfragen unglaublich schlecht ab, zusammen kommen sie gerade einmal auf 40 Prozent. Das ist für Griechenland unglaublich. In der Vergangenheit waren Werte von 80 Prozent Zustimmung normal. Aber die Menschen haben das Vertrauen verloren. Deshalb sind die beiden großen Parteien zurzeit so nervös. Sie haben einfach Angst, die Macht zu verlieren.

Bild: EP
Im Interview: Theodoros Skylakakis

studierte Wirtschaftswissenschaften in Athen, ist für die neue Partei Demokratiki Symmachia Mitglied des Europäischen Parlaments in der Fraktion der liberalen ALDE.

Wie beurteilen Sie das bisherige Krisenmanagement der griechischen Regierung?

Es ist katastrophal. Die Regierung hat es nicht geschafft, die notwendigen Reformen umzusetzen. Es gab auch völlig unrealistische Vorgaben. Das Privatisierungsprogramm zum Beispiel konnte gar nicht so viel Geld bringen wie angenommen. Und die Konservativen in der Opposition hatten nichts Besseres zu tun, als immer wieder gegen die Rettungspakete Stimmung zu machen. Das war unverantwortlich.

Was braucht Griechenland für den Weg aus der Krise?

Wir brauchen das Hilfspaket und den Schuldenerlass. Gleichzeitig müssen wir endlich echte strukturelle Reformen angehen: Wir müssen gegen die Bestechung bei den Finanzämtern vorgehen, das Pensionssystem der Beamten reformieren. Wir können nicht einfach immer weiter Steuern erhöhen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • C
    Celsus

    Die Politiker schaffen es nicht und deswegen müssen also Fachleute her. Klingt erst einmal sehr bestechend. Aber vielleicht könnte der Mann sich mal dazu äußern, ob die Demokratie dann die Wahl zwischen entsprechenden Fachleuten sein soll, die noch antreten dürfen oder ob die Demokratie nach dessen Vorstellung gleich abgeschafft werden soll.

     

    Im Prinzip muss ich ihm allerdings darin Recht geben, dass die heutigen Politiker tendenziell bereits europaweit ihre Dummheiten verbreiten und durchsetzen.

     

    Ich nehme einfach mal die Privatisierungen als Mittel zur Entschuldung:

     

    Da werden gut laufende Staatsbetriebe verkauft und die gehen normal unter Wert weg udn statt der Gewinne kassiert der Staat nur noch Steuern auf Gewinne. Allerdings erst in fernerer Zukunft, weil die Käufer erst einmal den Kaufpreis steuerlich absetzen. Ein guter Kaufmann wurde unter den Umständen nicht verkaufen.

     

    Bei schlecht laufenden Betrieben, wird ein Käufer ohnehin nicht horrende Preise zahlen. Und nach dem Kauf wird Personal rausgeschmissen und manchmal auch an anderer Stelle rationalisiert. Das treibt die Arbeitslosenquote hoch und bedeutet mehr Sozialausgaben. Die Schulden des erworbenen Betriebes werden allerdings in die eigene Bilanz übernommen und auch zunächst keine Steuern gezahlt.

     

    Das haben vorrangig die Deutschen den Griechen in Europa aber allen Ernstes als Entschuldungsmaßnahme verkauft. Es ist wohl auch das Werk der CDU in Deutschland, die das in Europa für gut befand. Es ist ein teurer Irrweg. Das wird die CDU mit ihrer langen Leitung aber mal wieder wesentlich zu spät einsehen. Dann ist der GAU schon wieder gelaufen.

  • R
    Renegade

    @Der Heinz:

     

    Also dann machen wir Politik ohne irgendwelche Fundierung auf ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und Realitäten und achten nur auf die schönen sozialen Zusammenhänge und kulturellen Identitäten und alles wird gut?

     

    Ich glaube, genau das ist die Politik, die in den letzten Jahrzehnten immer wieder verfolgt wurde und uns nun dahin gebracht hat, wo wir stehen. Wenn man die Schwerkraft lange genug wegdenken will, fängt man auch nicht an zu schweben, und genau so verhält es sich mit Marktmechanismen.

     

    Ich muss doch wirklich an Ihrem Sinn für Realität zweifeln.

  • KK
    Karl Krise

    Westerwelle und Roessler wuerden wahrscheinlich den gleichen Bloedsinn erzaehlen.

     

    Viel weiter als seine Kollegen ist Herr Theodoros Skylakakis ja auch nicht. Man braucht sich nur den Parteivorsitz der liberal konservativen Dimokratiki Symmachia ansehen. Dora Bakogianni, Tochter von Konstantinos Misotakis, ehemals Minsisterpraesident und Parteivorsiztender der Nea Demokratia. Die griechische Familienpolitik laesst Gruessen.

     

    Kein Wort verliert Skylakakis ueber das katastrophale Krisenmanagment der EU und die unterlassenen Reformen der Finanzmaerkte.

     

    Ist die taz nun Sprachrohr liberal konservativer Politiker? Ich haette ja nichts dagegen wenn sie zumindest was vernuenftiges zu sagen haetten.

  • RE
    Regi erung

    Wenn es legale konstruktive anonyme demokratische Foren oder Wikis gäbe, könnte man darüber als Ministerial-Mitarbeiter klare Ansagen und Vorschläge zur Diskussion stellen.

    Enteignungsfrei und sozial-einschnitts-Frei. Wirksame Ideen gibts viele.

     

    Italien und Israel wechseln auch häufig die Regierungen. Italien hat Schulden, Israel hat glaube ich Überschüsse aber einen Haufen feindlicher Nachbarn (=hohe Militärkosten).

     

    Technokraten kennen wir von der Eisenbahn im Winter, von Berliner SBahn-Bremsen, vom Berliner WiFree-Netzwerk und von glorreichen IT-Projekten wie Toll-Collect, Galileo und dem Rot-Grünen ELENA oder Gesundheitskarte.

    Oder der dritten Tranche oder Daimler-Chrysler oder AOL-Time-Warner oder anderen Großfusionen.

     

    Wichtigstes Argument: Technokraten sind doch die, die Lehmann und den US-Geldmarkt kontrolliert haben. Haben Technokraten Griechenland in den Euro reingemogelt ? Und deren Technokraten-Kollegen das nicht mitbekommen ?

  • W
    Westberliner

    Eine Regierung ohne Parteien? Genial.

     

    Ganz ohne Regierung geht auch. Das hat Belgien bewiesen. Die jetzt noch in Amt und Würden sind, können abendlich in Comedy-Shows auftreten. Da kann man wenigstens über den Unsinn lachen, den sie verzapfen. Im realen Leben ist es gefährlich für uns alle.

     

    Anarchistische Grüße

  • DH
    Der Heinz

    "...aber es sollten eher Technokraten sein, die sich mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik wirklich gut auskennen. Sie würden durch das Parlament kontrolliert, und wir würden sie unterstützen."

     

    Hallo! Aufwachen! Das hatten wir schon und es sind genau diese Leute, die in den Parlamenten sitzen und von dort steuern. Technokraten, das sind Leute, die sich dem wirtschaftlichen Wachstum und dem Markt verpflichtet fühlen und schon deshalb keine moralisch-integeren Beschlüsse fassen können. Sie haben keinen Sinn für soziale Zusammenhänge und kulturelle Identitäten.

    Ich muss doch wirklich an Ihrem Sinn für Realität zweifeln, Herr Skylakakis.

     

    Was Sie hier fordern, wird auf kurz oder lang zu massiven sozialen Verwerfungen und letztlich zu Gewalt und Revolution im alten Sinne führen.