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Regierung in BulgarienEin wackelnder Fels in der Brandung

Bulgariens Regierungschef Bojko Borissow ist zunehmend Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Bei öffentlichen Auftritten wirkte er zuletzt übernächtigt.

Muss der bulgarische Regierungschef Boiko Borissows nun das Feld räumen? Foto: Francois Lenoir/reuters

Noch wackelt er nicht wirklich, Bulgariens Regierungschef Bojko Borissow. Der bullige 61-Jährige mit rasiertem Schädel gibt lieber den unverrückbaren Fels in der Brandung. Dabei ist es derzeit auf seinem Posten alles andere als kommod: Tausende wütende De­mons­trant*innen gehen dieser Tage landesweit auf die Straßen, wettern gegen Korruption und mafiöse Zustände. Sie fordern nicht weniger als Borissows Rücktritt und baldige Neuwahlen.

An „Bojko“, wie er im Volksmund genannt wird, scheiden sich seit jeher die Geister. Noch zu kommunistischen Zeiten an der Akademie des bulgarischen Innenministeriums ausgebildet, machte der zeitweilige Karatetrainer der Nationalmannschaft ab 1991 in Personenschutz. In dieser Eigenschaft diente er Ex-KP-Staats- und Parteichef Tudor Schiwkow genauso wie dem einstigen Zaren und späteren Regierungschef Simeon Sakskoburggotski.

Nach einem kurzem Intermezzo als Parlamentsabgeordneter wurde er 2005 Bürgermeister der Hauptstadt Sofia – ein Posten, den er vier Jahre lang bekleidete. Ein Interview in seinem Dienstsitz fand damals unter erschwerten Bedingungen statt, da Borissow vor lauter Zigarrenqualm nahezu unsichtbar war – trotz Rauchverbots in dem gesamten Gebäude.

Bei den Parlamentswahlen 2009 wurde die von Borissow gegründete Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (Gerb) stärkste Kraft und er selbst erstmals zum Premier gewählt. Seitdem regiert Borissow den Balkanstaat, der seit 2007 Mitglied der EU ist, mit kurzen Unterbrechungen und wechselnden Koalitionspartnern. Aktuell mit im Boot sind die „Vereinigten Patrioten“, die sich vor allem durch Hetze gegen Roma, Türk*innen und andere Minderheiten hervortun.

In zahlreiche Machenschaften verstrickt

Ursprünglich angetreten war der geschiedene Vater einer Tochter mit dem Versprechen, gegen die Korruption vorzugehen. Doch bei diesen vollmundigen Ankündigungen ist es geblieben. Bis heute nimmt Bulgarien in Sachen Korruption EU-weit den letzten Platz ein. Nicht zuletzt auch Regierungsmitglieder waren in Machenschaften verstrickt. Auch zum dramatischen Niedergang der Pressefreiheit in Bulgarien hat der Mann, der bei der CDU-nahen Adenauer-Stiftung sowie der CSU stets ein gern gesehener Gast war, seinen Beitrag geleistet. Das dürfte auch an seinen guten Beziehungen zu dem Oligarchen Deljan Peewski liegen, der große Teile des heimischen Medienmarktes unter seine Kontrolle gebracht hat.

Unlängst tauchten in Bulgarien Videos auf, die einen schlafenden Borissow zeigen – neben sich eine Handfeuerwaffe sowie einen Stapel Banknoten. Der Regierungschef räumte zwar ein, sich erkannt zu haben, behauptete aber, dass die Bilder frisiert worden seien.

Am Mittwoch äußerte sich Borissow im Ministerrat zu den Protesten und den Rücktrittsforderungen an seine Adresse, wie das bulgarische Nachrichtenportal Mediapool berichtete. Es werde eine Entscheidung geben, aber erst nach dem EU-Gipfel am kommenden Wochenende. Bei seinem Auftritt, schreibt Mediapool, habe er übernächtigt gewirkt.

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