Regenwald im Auto: Knechte für die Dschungel-Köhlereien
Greenpeace enthüllt, wie deutsche Firmen indirekt zur Abholzung des Regenwaldes in Brasilien beitragen. Die Staatschefin bekommt ein Imageproblem.
PORTO ALEGRE taz | Unweit des Hafens von São Luís kletterten diese Woche Aktivisten von Greenpeace auf die Ankerkette eines riesigen Frachtschiffes, das tonnenweise Eisen aus Amazonien in die USA transportieren sollte. Auf einem gelben Spruchband stand: „Dilma, stell die Kettensäge ab“. Gemeint ist Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff.
Im Juni beginnt in ihrem Land der UN-Umweltgipfel. Gleichzeitig wird in ihrem Land der Regenwald zerstört, um Eisen für die Autoindustrie zu produzieren. Rousseff muss bald entscheiden, ob sie die gravierende Aufweichung des Waldgesetzes mittragen will, die das Parlament vor Kurzem verabschiedet hat.
Wegen des UN-Umweltgipfels Rio+20 steckt Rousseff noch mehr in der Zwickmühle. „Während die Regierung das Image eines grünen und modernen Landes verkauft, wird Amazonien zu Holzkohle verarbeitet“, sagte Paulo Adário von Greenpeace-Brasilien. Der „archaische und illegale Raubbau“ vernichte auch die indigenen Völker.
Dass er nicht übertreibt, ist in einer neuen Greenpeace-Studie über die Produktlinie des Amazonas-Stahls nachzulesen. So bezieht eine US-Stahlfabrik in Columbus, Mississippi, Roheisen aus den Bundesstaaten Pará und Maranhão. Der Stahl geht für die Autoproduktion an BMW, Mercedes, Ford, General Motors oder Nissan.
Weltweit größte Lagerstätte
Auch Gusseisenfabriken von Thyssen-Krupp oder John Deere verarbeiten Amazonas-Roheisen, das sie bei US-Rohstoffhändlern kaufen. Das Eisenerz wird in der weltweit größten Lagerstätte gefördert, der vom Rohstoffriesen Vale betriebenen Carajás-Mine in Pará.
Was nicht direkt über den Hafen in São Luís in den Export geht, landet in den technisch oft veralteten Hüttenwerken Ostamazoniens, wo es zur Roheisen weiterverarbeitet wird. Die Holzkohle für diese Fabriken stammt aus gefälltem Regenwald oder von Eukalyptusplantagen, 85 Prozent der Holzkohle landet in der Eisen- und Stahlindustrie.
Auf den oft illegalen Köhlereien herrschen sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse. Die extrem gesundheitsschädliche Knochenarbeit an den igluförmigen Öfen verrichten dort Jugendliche und Erwachsene aus den ärmsten Gegenden Brasiliens, die über Mittelsmänner in Schuldknechtschaft geraten sind.
In den letzten neun Jahren wurden allein in den Köhlereien Brasiliens 2.700 moderne Sklaven befreit. Genauso lange hat die Agrarlobby im Parlament einen Gesetzesentwurf der Regierung verschleppt, durch den der Sklavenmafia das Handwerk gelegt werden soll.
Indigene Völker bedroht
Auch mehrere indigene Völker in der Region sind durch Waldzerstörung für die Kohleproduktion in ihrer Existenz bedroht. Die Awá etwa lebten noch vor 40 Jahren in völliger Isolation als Jäger und Sammler im Grenzgebiet von Pará und Maranhão. Seither haben Holzfäller und Viehzüchter knapp ein Drittel ihres Landes zerstört.
Greenpeace fordert, die Eindringlinge in das Gebiet der Indigenen zu bestrafen. Autobauer und Eisenimporteure müssten dafür sorgen, dass sie weder von Regenwaldzerstörung oder Sklavenarbeit noch von irregulären Eukalyptusplantagen profitierten.
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