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Regelsätze für AsylsuchendeWeit unterhalb von Hartz IV

Flüchtlingsorganisationen halten die Regelsätze für Asylsuchende ebenfalls für verfassungswidrig. Sie fordern eine Erhöhung der Leistungen.

Flüchtlingsorganisationen fordern eine Überprüfung und Erhöhung der Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge. Bild: dpa

BERLIN tazNach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen fordern Flüchtlingsorganisationen eine Überprüfung und Erhöhung der Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge. Die Feststellung der Karlsruher Richter, "dass die Bedarfssätze, die das Existenzminimum sichern sollen, intransparent und willkürlich festgesetzt worden sind und dass damit die Menschenwürde der Betroffenen nicht gewahrt ist", gelte "in verstärktem Maße" auch für Flüchtlinge, sagte Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst.

Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge haben kein Anrecht auf Hartz IV, sie erhalten weit geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Regelsätze seien wie die Hartz-IV-Sätze "willkürlich festgelegt" und seit 1993 nicht an die Preisentwicklung angepasst worden, sagte Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von Pro Asyl. "Nicht nur Hartz IV, auch das Asylbewerberleistungsgesetz ist verfassungswidrig."

Die Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge liegen mehr als ein Drittel unterhalb der Hartz-IV-Sätze. Flüchtlingskinder und Jugendliche erhalten zwischen 133 bis 215 Euro im Monat, Erwachsene maximal 225 Euro.

Mit der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 wurde erstmals eine Personengruppe festgelegt, die im Falle der Hilfsbedürftigkeit keine Leistungen nach der damaligen Sozialhilfe erhält, sondern erheblich geringere. Diese werden in vielen Bundesländern, darunter Bayern und Baden-Württemberg, noch immer als Sachleistungen ausgezahlt. "Das Asylbewerberleitungsgsetz führt zu staatlicher Mangelversorgung und einem bewussten Ausschluss von gesellschaftlicher Teilnahme", kritisierte Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat. Die Konsequenz des Gesetzes sei, "dass Kinder ohne Stifte und Hefte in die Schule gehen, Menschen im Winter keine warme Kleidung haben und die notwendige Behandlung von Krankheiten verhindert oder verschleppt wird". Das Gesetz müsse dringend verfassungsrechtlich überprüft werden, so Classen weiter. Pro Asyl will eine entsprechende Klage unterstützen.

Das Arbeitsministerium prüfe derzeit, welcher Handlungsbedarf sich aus dem Hartz-IV-Urteil ergibt, sagte ein Ministeriumssprecher. Ob und gegebenenfalls welche Folgen es für die Bemessung der Leistungen für Asylbewerber habe, lasse sich derzeit noch nicht sagen.

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4 Kommentare

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  • KI
    Kirche im Dorf lassen

    Bei allem bemühtem Verständnis für Asylanten, die mehr Geld haben wollen, muss mal daran erinnert werden, dass Asylantentum ja eigentlich nicht die legetime Vorstuße zur Eingliederung in das betroffene Land, in das man wegen einer akuten und lebensbedrohlichen Not Zuflucht suchte. Mit Hartz IV kann man nicht ohne weiteres mal kurz in der Karibik Urlaub machen. Und? Asylanten können nicht von dem ihnen zugewiesenen Geld abwechselnd ins Kino und Theater gehen. Und? Zwar ist die sich auftuende Schere zwischen oben und unten, reich und arm dramatisch, aber wenn Deutschland Geld in die ganze Weltbevölkerung investiert, dann ist das für die hier Wohnenden auch nicht gerade gerecht. Man muss die Kirche wirklich mal im Dorf lassen.

  • A
    Andreas

    Flüchtlingskinder und Jugendliche erhalten zwischen 133 bis 215 Euro im Monat, Erwachsene maximal 225 Euro.

    (Zitat)

     

    Ohne dieses Urteil hätte sich dafür kaum jemand interessiert. Aber diese Sätze sind doch letztlich ein Phantasieprodukt und mich würde es nicht wundern, wenn viele Asylbewerber alles tun würden, um irgendwie an ein paar Euro mehr zu kommen. Das ist dann natürlich kriminell und damit riskieren diese Leute dann auch noch jede Chance, ihrem Schicksal zu entkommen.

    Aber ich habe wenig Optimismus, dass es wirklich zu einer Debatte um die Armut von Asylbewerbern kommt. Bei CDU/CSU, FDP leider auch SPD will niemand sich für die Schwachen einsetzen, schon gar nicht für eine Gruppe, die häufig nie hier wählen kann oder darf. Andererseits schreckt dieses Minigeld auch keinen Flüchtling auf der Welt davor ab, nach Deutschland zu gehen. Am Ende bleibt es einfach nur extrem unmenschlich, aber vielleicht werden jetzt wenigstens die Deutschen wieder mit ein paar Euro mehr befriedet.

  • D
    dekadenz

    Ok, sehr schwieriges Thema.

     

    Man kann aber nicht alle reinlassen.

     

    Es gibt jetzt schon genug Probleme.

     

    Wer jetzt gleich wieder mit der Nazi-Keule kommt, sollte sich mal fragen, ob er denn auch Flüchtlinge bei sich zuhause aufnehmen würde?

     

    Wenn ja - dann bitte. Taten statt Worte.

     

    Es ist leicht, immer zu sagen, der Staat muss, der Staat soll usw. Der Staat ist korrupt und wird von habsüchtigen verlogenen Egomanen geleitet, das ist die Wahrheit.

     

    Die meisten Politiker kümmert es einen Dreck, ob ein Arbeitsloser genug zu fressen hat oder ein Flüchtling sozial integriert wird. Man schaue sich an, FDP - Entwicklungshilfeministerium, Westerwelle - die Arroganz in Person, Merkel - farblos wie ein Eimer Wasser.

     

    Claudia Roth - voller Gutmenschentum, aber realitätsblind.

     

    Solange der Steuerzahler solche Leute aushalten muss, wird es für Asylbewerber nicht reichen.

  • W
    Wolfgang

    Hartz IV ist ein staatliches Verbrechen. Gleiche Regelleistungen, unabhängig von Herkunft und Geschlecht, erkämpfen. Die menschenwürdige Leistung, unter den realen Lebensbedingungen in Deutschland, unter Verzicht auf staatliche Repressionsmaßnahmen und asoziale Zwangs-, Kürzungs- und Regulierungswut, unter Beachtung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten, muss auf monatlich 622 Euro angehoben werden. Gleichzeitig muss die derzeitige Mietuntergrenze um 20 Prozent angehoben werden! Mehr zur ALG-II-("Hartz-IV)- Regelleistung bei LabourNet.de Germany im Internet: "Bezug: Regelleistung und Menschenwürde" - Betreff: http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/hilfe/schramm_regel.pdf