piwik no script img

RefugeeHackathon in BerlinDer Refugee und der Nerd

Auf dem RefugeeHackathon sitzen Programmierer und Geflüchtete zusammen am Tisch. Dabei enstehen Apps, die den Menschen das Leben erleichtern.

Hackathons sind Veranstaltungen, an denen zu einem bestimmten Thema Software gemeinsam entwickelt wird Foto: RefugeeHackaton

Berlin taz | „Das Wichtigste ist der Name“, sagt Hekmat auf Englisch und klimpert unter dem Tisch auf seiner Ukulele. Er sitzt mit anderen Designern und Programmierern in einem Konferenzraum nahe dem Berliner Ostbahnhof. Sie entwickeln ein Baukastensystem für Stadtkarten, auf dem jeder wichtige Orte markieren kann. Die Karte soll später als App Geflüchteten dienen, sich in einer fremden Stadt wie Berlin zurechtzufinden.

Der Raum ist durchzogen mit Kabeln. Überall stehen Laptops, manche davon sind mit Stickern beklebt, wie „FCK NSA“, „Proud Nerd²“ oder „rausgehen ist wie fenster aufmachen nur krasser“. RefugeeHackathon nennt sich die ganze Veranstaltung.

Im Nachbarraum wird noch gebrainstormt, das heißt, eine Handvoll Nerds starrt auf eine weiße Tafel. Wenn ein Stichwort fällt, wird eifrig diskutiert, bis jeder etwas gesagt hat und man einstimmig feststellt, dass man sich zu weit vom Thema entfernt hat.

Auf einer Magnettafel halten die Entwickler um Hekmat mit Klebezetteln die Eigenschaften ihrer künftigen Anwendung fest. Im hinteren Raum haben es sich die fünf Programmierer des Teams mit ihren Laptops bequem gemacht. Im vorderen Teil planen die Designer das Aussehen der App.

Hier gibt es syrisches Brot

Hekmat wünscht sich, dass die App auf die Bedürfnisse der Geflüchteten eingeht. Eine Übersichtskarte mit den Krankenhäusern, die von der aktuellen Position am nächsten zu erreichen sind, oder ein automatischer Filter für Supermärkte, die zum Beispiel auch syrisches Brot verkaufen. Syrisches Brot ist anders, sagt er. Nicht besser oder schlechter, aber es unterscheidet sich. „Für viele Refugees bedeutet das eine Menge, wenn sie hier etwas aus ihrer Heimat vorfinden, das sie kennen. Das macht es etwas einfacher.“

Flüchtling Hekmat wünscht sich eine App, die zeigt, wo syrisches Brot verkauft wird

Hekmat ist ein geflüchteter Designer aus Syrien und Mitglied einer achtköpfigen Rockband namens „Khebez Dawle“, zu Deutsch Staatsbrot. Sein Herz schlägt für die Musik, doch sein Brot hat er in Syrien als Freelancer verdient. Für Agenturen und Konzerne hat er Grafiken und Animationen erstellt. Am liebsten macht er Flash-Animationen. Er liebt Pixelart.

Wie viele andere floh er von Syrien aus nach Lesbos. Kaum an Land angekommen, verteilten sie damals an die erstaunten Touristen CDs ihrer Band. Um sich auf der beschwerlichen Reise ernähren zu können, spielten sie in jeder Stadt, die sie durchquerten, ein Konzert.

Ein Programmier-Marathon

Nun sitzt Hekmat mit zehn Programmierern und Designern und seiner Ukulele auf dem Schoß in dem Konferenzraum und gibt Ratschläge, was Geflüchteten am besten hilft.

Mehr als 300 Anmeldungen zum RefugeeHackathon hat es im Vorfeld gegeben. Wie viele Menschen letztendlich gekommen sind, weiß auch Initiatorin Anke Domscheit-Berg nicht so genau. Den ganzen Tag stoßen immer neue Menschen hinzu. Der RefugeeHackathon entwickelt sich so zum größten Programmier-Marathon dieser Art.

An mehr als einem Dutzend Projekten wird gearbeitet, bisweilen die ganze Nacht hindurch. „Es geht darum, Software zu entwickeln, die den Menschen wirklich hilft. Dafür setzen sich hier Designer und Programmierer mit freiwilligen Helfern und Geflüchteten an einen Tisch und besprechen, wie man Apps gestalten kann, damit sie nützlich werden“, sagt Domscheit-Berg.

Die Ideen kommen von Privatpersonen oder bereits bestehenden Teams, die ihre Projekte perfektionieren wollen. Mehr als 14 Nationen sitzen an diesem Wochenende unter einem Dach und erarbeiten digitale Lösungen, um der Flüchtlingskatastrophe Herr zu werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!