piwik no script img

Reformpaket in GriechenlandWeniger Varoufakis, mehr Brüssel

Die Gespräche über Griechenlands Reformen kommen voran, während Varoufakis' Einfluss schwindet. Am Dienstagabend wurde der Finanzminister angegriffen.

Verliert an Einfluss: Finanzminister Varoufakis. Bild: reuters

BRÜSSEL/ATHEN dpa | Im Ringen um ein Reformpaket Griechenlands beraten Experten der Geldgeber von Donnerstag an wieder in Brüssel. Die sogenannte Brüssel-Gruppe, die regelmäßig in der EU-Hauptstadt zusammenkommt, werde sich mindestens bis zum Freitagabend treffen, sagte eine EU-Diplomatin: „Es gibt einen Willen von allen Seiten, jetzt voranzukommen.“

Aus dem Athener Finanzministerium hieß es, Griechenland wolle den Geldgebern neue Sparmaßnahmen präsentieren. Man sei optimistisch, dass es bald zu einer Einigung kommen werde.

EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici forderte den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras auf, sich einzuschalten. „Es ist wichtig, dass der Premierminister, Herr Tsipras, die Verhandlung selbst in die Hand nimmt“, sagte Moscovici den französischen Sendern BFMTV und RMC.

Tsipras müsse „seine Leute“ nach Brüssel schicken. Der Athener Regierungschef hatte bereits zum Wochenbeginn angekündigt, den griechischen Chefunterhändler auszutauschen. In Brüssel verstärkt sich der Eindruck, dass der umstrittene Finanzminister Gianis Varoufakis an Einfluss verliert. Beim Eurogruppentreffen am vergangenen Freitag in Riga hatte er von den übrigen 18 Kassenhütern der Euroländer heftige Kritik eingesteckt.

Das von Tsipras angekündigte Datum, wonach ein Kompromiss mit den Geldgebern bis zum 9. Mai möglich sei, bestätigte die EU-Diplomatin nicht: „Die einzige echte Frist ist Ende Juni.“ Dann endet das Hilfsprogramm für Griechenland.

Die Zeit drängt

Die „Brüssel“-Gruppe besteht aus Vertretern der Athener Regierung sowie Experten von Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF). Am Mittwochabend war eine Runde der Finanz-Staatssekretäre der 19 Euroländer geplant.

Das nächste reguläre Treffen der Euro-Finanzminister steht am 11. Mai an. Die Zeit drängt, denn Athen droht die Pleite. Die Geldgeber blockieren bislang 7,2 Milliarden Euro an Hilfen, weil die Vereinbarung für das Reformpaket fehlt.

Die griechische Presse berichtete, die Regierung scheine sich endgültig von einem ihrer wichtigsten Wahlversprechen zu verabschieden. So soll eine Immobilien-Sondersteuer, die rund 2,6 Milliarden Euro jährlich einbringt, auch in diesem Jahr gezahlt werden. Tsipras hatte versprochen, diese Steuer so bald wie möglich abzuschaffen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Kreisen zufolge die Notkredite für Banken im pleitebedrohten Griechenland erneut aufgestockt. Die EZB habe die sogenannten Ela-Kredite („Emergency Liquidity Assistance“) auf 76,9 Milliarden Euro erhöht, berichtete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Damit stünden den griechischen Instituten nun 1,4 Milliarden Euro mehr als zuvor zur Verfügung. Die EZB wollte diese Angaben nicht kommentieren.

Anarchisten attackieren Varoufakis

Unterdessen soll der vor zwei Jahren im Zuge der Sparmaßnahmen dichtgemachte öffentlich-rechtliche griechische Rundfunksender ERT seinen Betrieb wieder aufnehmen. Das Parlament beschloss am Mittwoch, mehr als 1.500 Mitarbeiter wieder einzustellen und eine Protest-Fernsehstation einzugliedern, die online von gefeuerten Angestellten betrieben werden soll.

Ebenfalls am Mittwoch wurde bekannt, dass Varoufakis in einem Restaurant im Athener Szene-Viertel Exarchia angegriffen wurde. Seine Frau Danae habe sich schützend vor ihren Mann gestellt und so die Attacke einer Anarchisten-Gruppe abgewehrt, teilte das Finanzministerium mit. Das Paar habe am Dienstagabend mit Freunden gegessen, als die Gruppe in den Innenhof des Restaurants gestürmt sei und sie aufgefordert habe, „ihre Gegend“ zu verlassen, schilderte Varoufakis in einer Mittelung seines Ministeriums den Vorfall. Die Angreifer hätten mit Gläsern auf das Paar gezielt und versucht, an den Minister heranzukommen. Das sei ihnen aber nicht gelungen, und so seien sie unter Drohungen und Beschimpfungen abgezogen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Nee, mehr Varoufakis, weniger Schäuble und gar keine Kopplung der Lebensniveaus der Lohnabhängigen an die Refinanzierung von Staaten und Banken.

  • Ax, mana mou Ellas. Was ist aus dir geworden? Nicht einmal mehr auf ta pedia tis Exarchia ist verlass. Dabei hätten sich die Palikardes des schwarzen Blocks ein ehrendes Andenken bei all den deutschen Stammtischen des dumpfen Griechenhasses und den meisten Redaktionsstuben der sog. Qualitätsmedien verdienen können. Varoufakis mal so richtig auf die Fr…… die Meinung geigen, wie wäre das schön gewesen. Aber was muss ich da lesen?? Seine Frau hat sich eurer lächerlichen Attacke in den Weg gestellt? Nicht einmal ein Haufen Bodyguards oder die ach so geliebte Athener Astinomia? Und dann habt ihr euch getrollt! Was seid ihr bloß für Heroen. Was ich ja immer schon gewusst habe. In Griechenland funktioniert nichts, aber auch gar nichts mehr. Ach, und nur so nebenbei, ich stelle mir gerade vor, was passiert wäre, wenn Jabba the Hutt Joseph Martin Fischer im Hamburger Schanzenviertel nebst weiblicher Begleitung erscheinen würde und das ohne die übliche Schar der Bodyguards. Die Jungs und Mädels von der Flora würden Halleluja rufen. Aber ist natürlich Quatsch. Jabba the Hutt Fischer geht natürlich nicht mehr in solche Gegenden. So etwas machen nur verrückte griechische Finanzminister. Jabba the Hutt lässt sich von Frauen allenfalls das Gemächt streicheln – ich meine natürlich den im Krieg der Sterne – und geht mit ihnen nicht im Hamburger Schanzenviertel essen. Gia mas Ellas