Reformen in Griechenland: Ende der Misere oder des Sozialstaats?
Das griechische Parlament entscheidet über ein Reformpaket, das Bedingung für die nächsten Finanzhilfen ist. Kürzungen von Renten oder Gehältern soll es nicht geben.
ATHEN dpa | Das griechische Parlament entscheidet am späten Sonntagabend über ein Bündel weiterer Reform- und Sparmaßnahmen. Die Zustimmung der Abgeordneten ist notwendig für die endgültige Freigabe der nächsten Tranche des Hilfsprogramms, mit dem das Euro-Krisenland vor der Pleite bewahrt werden soll. Die Opposition und viele Gewerkschaften sperren sich dagegen.
Regierungschef Antonis Samaras versprach, es werde keine neuen Sparmaßnahmen mehr geben. „Wir lassen die Misere zurück“, sagte er der Athener Sonntagszeitung Realnews.
Die griechische Presse bezeichnete die Abstimmung als „letzten Kampf“ um die Sparprogramme und fünfjährigen Anstrengungen zur Rettung des Landes. Die Opposition befürchtet dagegen, dass die neuen Gesetze das endgültige Ende des Sozialstaates und der seit Jahrzehnten geltenden Arbeitsbedingungen in Griechenland bedeuten.
Die Gewerkschaften riefen zu Demonstrationen vor dem Parlament und im Zentrum Athens auf. Bereits um die Mittagszeit versammelten sich nach Medienberichten rund 300 Demonstranten in der Innenstadt. Zunächst sei dabei alles friedlich verlaufen, teilte die Polizei mit.
Milch soll billiger werden
Es geht unter anderem um Deregulierungen von Tarifverträgen, die Entlassungen leichter machen könnten. Zudem sollen sogenannte geschlossene Berufe wie der des Apothekers geöffnet und Medikamente etwa auch in Supermärkten verkauft werden können.
Sogar auf die Milchpreise zielen die neuen Regelungen. Milch soll billiger werden, indem die Supermärkte ihre haltbare Milch bei entsprechender Verarbeitung und Verpackung nicht wie bislang binnen fünf Tagen aus den Regalen entfernen müssen. Zudem soll Brot künftig außer in Bäckereien und Supermärkten auch in anderen Lebensmittelläden verkauft werden können.
Ein Streik von Apothekern wegen der Reformpläne hatte am Freitag und am Wochenende zu chaotischen Zuständen vor den wenigen geöffneten Notapotheken in Athen geführt. Am Montag wollten die Seeleute für 48 Stunden in den Ausstand treten. Es wurde mit erheblichen Problemen im Fährverkehr in der Ägäis gerechnet.
Die Regierungskoalition aus Konservativen und Sozialisten hat im Parlament eine knappe Mehrheit von 153 der insgesamt 300 Sitze. Beobachter gingen davon aus, dass die Regierung das Reformpaket trotz heftigen Widerstands auch aus den eigenen Reihen durchpeitschen wird.
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