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Reform des Euro-StabilitätspaktsWeniger Geld für Defizitsünder

Die EU-Kommission will Staaten zu geringerer Neuverschuldung zwingen. An die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa traut sie sich nicht heran.

Das liebe Geld: Länder der EU-Kommission sollen zukünftig jährlich ihre Haushaltsplanung präsentieren. Bild: Chobe/photocase.com

BERLIN taz | Nach dem Punktsieg von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim jüngsten G-20-Gipfel, der in einer klaren Aufforderung an die Staaten mündete, ihre Haushalte umgehend zu konsolidieren, hat sich nun auch in der EU-Kommission die Spardoktrin durchgesetzt. Bei ihren Vorschlägen zur Reform des Euro-Stabilitätspakts, die Finanzkommissar Olli Rehn am Mittwoch vorstellte, wird sie nur da richtig konkret, wo es um die Bestrafung so genannter Defizitsünder geht: Staaten, die gegen die Schuldengrenzen des Pakts verstoßen, müssen künftig damit rechnen, dass ihnen EU-Mittel gestrichen werden. Das könnten auch Struktur- und Agrarbeihilfen sein, sagte Rehn.

Ingesamt formuliert die Kommission drei Ziele: die Stärkung des Stabilitätspakts, den Abbau "makroökonomischer Ungleichgewichte" und einen Rahmen für ein permanentes Krisenmanagement. Grundlage für all das soll eine intensive Kontrolle der Wirtschaft- und Finanzpolitik der Mitgliedsstaaten sein.

Künftig sollen die Länder der EU-Kommission und dem Rat jeweils im Frühjahr eine grobe Haushaltsplanung präsentieren. Dabei gehe es vor allem darum, Grundannahmen wie Wachstum, Inflation, Defizit und Gesamtausgaben transparent und damit überprüfbar zu machen, heißt es. Sanktionen könnten dann schon greifen, bevor ein Mitglied die Defizit-Obergrenze von drei Prozent Neuverschuldung überschritten habe: Zeichnet sich etwa ab, dass ein Staat mit der Konsolidierung nicht vorankommt, soll er eine Art Pfand in Form einer hohen Geldeinlage bei der Kommission abgeben.

Grundsätzlich müsse auch das zweite Schuldenkriterium mehr beachtet werden, nach dem die Gesamtverschuldung nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen soll. Diese Grenze reißen derzeit fast alle Euro-Länder.

Sehr viel unklarer bleibt, wie die Kommission das Problem der makroökonomischen Ungleichgewichte lösen will. Auch innerhalb der EU stehen Staaten wie Griechenland mit Leistungsbilanzdefiziten Staaten mit enormen Überschüssen gegenüber, die diese nur mit einer aggressiven Exportstrategie auf Kosten der Partnerländer erzielen konnten. Dazu gehört Deutschland. Ökonomen wie der Chefvolkswirt der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad), Heiner Flassbeck, fordern, dass die Überschussländer ihre exportfixierte Politik zugunsten einer stärker binnenmarktorientierten mit höheren Löhnen aufgeben.

Die EU-Kommission dagegen schlägt lediglich vor, die makroökonomischen Entwicklungen besser zu beobachten. Bei "ernsten" Ungleichgewichten müssten Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, ihre Politik zu erklären und Gegenmaßnahmen zu präsentieren.

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1 Kommentar

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  • A
    A.Grech

    "die diese nur mit einer aggressiven Exportstrategie auf Kosten der Partnerländer erzielen"

     

    Soooo aggressiv ist die deutsche "Exportstrategie" eigentlich nicht. Die Lohnpolitik in Deutschland orientiert sich seit geraumer Zeit daran, dass wichtige industrielle Branchen weltweit wettbewerbsfähig bleiben - und die Löhne entsprechend moderat steigen. Die ökonomischen Folgen für das eigene Land hätte man ohne weiteres auch in Griechenland erkennen und darauf reagieren können. Man hat's stattdessen ignoriert und datauf vertraut, im Ernstfall "gerettet" zu werden. Das ist m.E. eher als aggressiv zu werten.