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Reform der Arbeitsmarkt-EingliederungWeniger Geld für Arbeitslose

Das Kabinett beschließt eine Reform der Jobvermittlung. 7,5 Milliarden Euro werden gespart. Einschnitte sind bei 1-Euro-Jobs und Existenzgründern geplant.

Vermittlung ja, aber anders: Jobcenter. Bild: ap

BERLIN taz | Auf Arbeitslose kommen neue Kürzungen und Förderbedingungen zu. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch ein Gesetz, mit dem die Eingliederungsmaßnahmen für Empfänger von Arbeitslosengeld I und II (Hartz IV) reformiert werden.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begründete das Vorhaben mit der guten Arbeitsmarktlage: "Oberstes Kernziel ist und bleibt der weitere Abbau der Arbeitslosigkeit. Wir wollen den Aufschwung nutzen, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit verstärkt in richtige Jobs zu bringen."

Mit dem Gesetz wird der Werkzeugkasten, mit dem Arbeitslose in Jobs vermittelt werden sollen, von 42 auf 31 Instrumente reduziert. Betreuer in Jobcentern können künftig eigenständiger entscheiden, welche Maßnahmen sie anwenden. Bildungsträger benötigen in Zukunft eine externe Zulassung.

Betroffen sind unterschiedliche Bereiche: Arbeitslose Existenzgründer haben beispielsweise keinen Rechtsanspruch mehr auf finanzielle Zuschüsse für den Aufbau ihrer Selbstständigkeit und müssen deutlich kürzere Antragsfristen einhalten. Eingeschränkt wird auch die öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose oder 1-Euro-Jobs.

1-Euro-Jobber seien häufig in ihrer Situation "gefangen". Es müsse aber immer "die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen", sagte von der Leyen. Sie betonte, "oberste Priorität" habe die Fachkräftesicherung. Das Gesetz sieht dafür vor, Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Beschäftigte länger und mit Geld aus der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu fördern.

"Hier ist weniger mehr"

BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt begrüßte die Reform: "Wir haben zu viele Instrumente, die sich an die gleichen Adressaten richten und die gleichen Ziele verfolgen. Hier ist weniger mehr", sagte Alt zur taz. In einer Stellungnahme an das Bundesarbeitsministerium kritisiert der BA-Vorstand jedoch die Umwandlung des Gründungszuschusses in eine Ermessensleistung. Dies sei mit einer "Erhöhung des Bürokratieaufwandes" verbunden. Auch sei das Einsparvolumen "überzeichnet".

Der Bundesrechnungshof hatte in einer Stellungnahme zwar die "Individualisierung und Flexibilisierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" begrüßt. Er gab jedoch zu bedenken, dass mehr Ermessensspielraum vielen Vermittlungsfachkräften Probleme bereite. Damit es nicht "zu einer weiteren Steigerung von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren" komme, müssten die fachlichen Kompetenzen der Mitarbeiter durch Schulungen und Hospitationen "erheblich ausgebaut" werden.

Insgesamt sollen bei der BA von 2012 bis 2015 rund 7,5 Milliarden Euro eingespart werden. Mit dem Gesetz, das April 2012 in Kraft treten soll, werden die Vorgaben des 2010 beschlossenen Sparpakets erfüllt. Opposition und Gewerkschaften übten scharfe Kritik. Linkspolitikerin Sabine Zimmermann etwa sprach von einem "Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik".

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9 Kommentare

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  • F
    Frank

    900 Netto, das ist die Perspektive auf die Millonen von Menschen gewartet haben.

    Leben um zu arbeiten. Oder, wer nicht arbeitet, bekommt auch zu wenig als die Existenz erfordert oder auch mal nichts zu essen ...

    Mehr ist nicht drin, wenn es nach dem Willen der politischen und rechtlichen Eigentümer dieser Welt geht.

    Dafür haben Sie und Ihre Eltern die letzten Jahrzehnte für andere gearbeitet! Die technischen und wissenschaftlichen Fortschritte, der Aufbau von Industrie und Landwirtschaft, das alles wurde doch nicht gemacht, damit Sie heute weniger Arbeit und ein gutes Auskommen haben!

    Das alles wurde erarbeitet, um die Lohnkosten von Millionen dauerhaft einzusparen und, gleichzeitig, die Arbeitsleistung der verbleibenden "Mitarbeiter" zu steigern. Es ging immer darum, das Einkommen als Kostenfaktor, als betriebswirtschaftlichen Abzug vom Unternehmensziel, zu verkleinern. Das nennt man betriebswirtschaftlich "Absenkung von Lohnstückkosten". Und das ist mit Erfolg vollzogen worden.

     

    Aus diesem Grund gibt es Reichtum UND Armut, gleichzeitig!

    Die Herren dieser Welt wollen es sich leisten, den Armen die Existenz zu erhalten. Wenn die Opfer beweisen, dass Sie bereit sind zu dienen, und gerade auch dann, wenn vorher öffentlich klargestellt wird, das mehr als die pure Erhaltung der Existenz als Lohn für "Beschäftigung" nicht zu erwarten ist.

    Die Zustimmung zu dieser sorte staatlich organisierter "Arbeitsplätz" wird unter Androhung des Vollzuges von Santionsmöglichkeiten, gern auch unter das Existenzminimum, als Angebot, als eine Leistung des Staates vorgestellt. Gerade weil Politik und Wirtschaft wissen, dass diese Sorte "Bezahlung" das Interesse der so "aktivierten" Kundschaft negiert, niemand geht arbeiten um der Arbeit willen, ist die Ausübung ökonomischer Gewalt notwendiger, begleitender Bestandteil dieser "Reform".

     

    Faktische Zwangsarbeit ist die Lebensperspektive der Politik für Millionen auf das Urteil "unbrauchbar" der Wirtschaft. Das ist doch mal eine effektive, und effiziente Verwendung von Steuergeldern. Ergänzend wird eine weitere Kürzung der Mittel um 7,5 Milliarden als verbesserung verkauft. Je weniger Mittel bereitgestellt werden, desto übersichtlicher sind die Fördermöglichkeiten.

    Und, ist ja logisch, desto besser kann den Menschen geholfen werden.

     

    Inhaltlich sind die Argumention, die Worthülsen und Sprachregelungen, eine dreist vorgetragene Lachnummer. Aber, weder Politik noch die wirtschaft sind bei der Fortsetzung der arbeitsteiligen Schädigung der von Armut betroffenen Bevölkerung auf die Stimmigkeit ihrer Aussagen agewiesen. Das wird beschlossen und -ist- damit als Rechtslage die Wahrheit, nach der sich die Opfer zu richten haben.

     

    Doch warum so viel Wortgewandter Aufwand und studierter Unsinn?

    Um dem Schwein den Weg zur Schlachtbank als Wegweiser ins Restaurant zu verkaufen. Gleich gibts lecker essen! Die Wahrheit senkt die Qualität der abzuliefernden Arbeitsresultate und verursacht, womöglich vermeidbare, Zusatzkosten für Beaufsichtigung und Kontrollmittel.

  • O
    Olo

    Agenda CDU 2013 - das ist ein sinnlose Sparpolitik, die allerdings bereits aus einem sinnentleerten Rahmen - Hartz-IV - geschieht und deswegen vielen Normalmenschen kaum auffallen wird. Dass dort weiter gespart wird, bringt im Prinzip das Gegenteil von dem zum tragen, was hier unlängst ein BA-Führungsmitglied verkündete, nämlich, dass auch aus dem ALG II (Hartz) alles getan werde, um gegen den Fachkräftemangel der kommenden Jahre anzugehen.

     

    In Wirklichkeit werden 7,5 Mrd. eingespart und dies noch nicht mal überzeugend begründet. Bei den vielen älteren Arbeitslosen kann Selbständigkeit ein Weg sein, um aus dem Jobcenter rauszukommen. Nicht jeder Erwachsene kann für 5 oder 6 EURO Regale im Discounter einsortieren oder seinen Job sogar noch machen, immer wissend, dass er (oder sie) dafür vor Kurzem noch 8 oder 12 EURO erhielt.

    Also, für solche Leute sind Darlehen und Angebote in die Selbständigkeit ein Weg, könnten es wenigstens sein.

     

    Aber jetzt müssen diese Leute mit 7,5 Mrd. bezahlen, was die anderen wohl nicht können. Was ist denn aus den ganzen Sparmaßnahmen beim Bund geworden? Sind die ganzen GTZ-Leute aus Niebehls Ministerium in die GTZ zurückgekehrt? Hat Merkel ihren Stab verkleinert? Gibt's im Bundeskanzleramt nur noch an zwei Stunden in der Kantine Essen?

    Da passiert nichts und im Zweifel erfährt der Bürger auch nichts davon.

     

    Insofern: Bei den Armen / Arbeitslosen nehmen, bei en Reichen (Banken, Commerzbank) wieder abliefern und das alles auch noch mit Begründungen, die schon im Ansatz wie Lügen wirken.

  • E
    EuroTanic

    Das die Arbeitslosenzahlen geschönt, um nicht zu sagen gelogen sind, weiss doch heute selbst der letzte Depp. 10 Millionen Menschen sind auf der Suche nach Arbeit. Das sind Weihmarer Verhältnisse. Und wenn noch mehr gesppart wird verhungern in Deutschland auch wieder Menschen wie zu Weihmarer Zeiten. Dann werden allerdings auch wieder Köpfe auf den Strassen rollen wie zu Weihmarer Zeiten. Und das werden nicht nur die der Revoltierenden sein, sondern auch die der Bonzen und Politiker.

  • A
    aurorua

    Irgendwo müssen die exorbitanten 5,- Euro Erhöhung ja wieder rein kommen.

    Als ob es nicht reichen würde, dass insbesondere H4 Empfänger bei den Arbeitgebern sogut wie überall, als licht-und arbeitsscheue Elemente, komplett abgeschrieben sind, derweil man sich auf ausländische "Fachkräfte" besinnt, womöglich um die Dumpinglohnschraube noch mehr anzuziehen und gleichzeitig die Arbeitslosenzahlen schön hoch zu halten, funktioniert ja seit Jahrzehnten als Druckmittel bei Lohnerhöhungen und als Streikbremse.

    Würden die Ideen und Elanlosen im Bereich Umschulung/Fortbildung einen regen Interessenaustausch mit der Wirtschaft und den Betrieben pflegen, wüßten die Berufsberater welche Bildungsziele die Wirtschaft erwartet. Aber nein, da werden u.a. Millionen und Abermillionen Floristen und Bürokaufleute ausgebildet die kein Arbeitgeber europaweit benötigt. Hauptsache raus aus der Statistik. Hätte man vor drei vier Jahren in Zusammenarbeit mit den Betrieben Hartz IV erhaltende Hochschulabsolventen maßgeschneidert geschult und fortgebildet, wäre der Fachkräftemangel kein Thema. Aber da werden Berufsförderungswerke und private Ausbildungsinstitute in Vetternwirtschaft mit Milliarden an Steuergeld am Arbeitsmarkt vorbei mit Schülern versorgt. Die danach wieder in der Hartz IV Schlange stehen.

    Jetzt soll Fort-und Weiterbildung und einiges mehr auch noch Ermessenssache dieser NULLEN sein, welche sich im öffentlichen Dienst versteckt haben, also quasi Leistung nach Laune des Sachbearbeiters.

    Als Ärztin könnte Frau Doktor von der Leyen doch schonmal Kontaktaufnahme mit Einrichtungen wie Dignitas oder exit pflegen, das wäre für viele in die Depression getriebene Hartz IV Empfänger endlich ein letzter Ausweg und würde wiederum Milliarden in die Kassen spülen. Banken, Versicherungen, Kartelle und Konzerne warten schon darauf.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Sparen am falschen Ende

    Wieder einmal soll gespart werden,bei erwerbslosen Menschen.Diese getroffenen Einsparungen gehen zu Lasten der betroffenen Menschen.

    ! Euro Jobs führen generell nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt.Diese kann man als eine Art Beschäftigungs-therapeutische Maßnahmen ansehen.Vom Bundesrechnungshof wurden die !Euro Jobs zurecht beanstandet.Qualität ist bei den JobCentern sind vor zu finden.Wenig motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie z.B. im JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg,wo Klienten zu Maßnahmeträgern geschickt werden,deren Maßnahmen bereits angelaufen sind beziehungsweise besetzt sind.

    Auch werden Menschen in JobCentern als Menschen zweiter Klasse behandelt,im Gegnsatz zu Menschen die Leistungen von der Arbeitsverwaltung beziehen.

    Behinderte Arbeitnehmer sind wie überall,dass Stiefkind bei den JobCentern.der stellvertretende Geschäftsführer Henke, des JObcenter Friedrichshain-Kreuzberg äußerste sich gegenüber einen gehandicapten Arbeitnehmer,der Leistungen vom JobCenter bezieht,"für Sie kommen nur 1 Euro Jobs in Frage.Obwohl der stellvertretende Geschäftsfühtrer des JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg informiert ist,über Missstände im Haus,sitzt man lieber die Sache aus,anstatt Abhilfe

    zu schaffen.Von verschiedener Seite ist man bereits an das Jobcenter herangetreten,die gravierenden Missstände sind nach wie vor vorhanden.

    Erwerbslose Arbeitnehmer sind unweigerlich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Jobcenter ausgeliefert.Sie haben angeblich keine Rechte und dem entsprechend verfährt man auch mit ihnen.

    Für Bildung,Weiterbildung sollten nach wie vor Mittel bereit stehen.Es ist immer besser Qualifikationen und Arbeit,wie ÖBS,ABM zu fördern

    statt Erwerbslosigkeit.

  • JK
    Juergen K

    Das dürfte dann aber reichen, jedem der 4 Grossen Energieversorger 2 MRD Steuern zu erlassen,

    oder alternativ Landwirtschaftssubventionewn zukommen zu lassen.

     

    BTW: Hat schon mal jemand recherchiert, warum in jedem 2. JobCenterbüro ehemalige Soldaten sitzen ?

  • MA
    Moritz Arndt

    Lasst uns bei den Existenzgründern sparen... klar, spart bei denen, die versuchen wollen etwas aufzubauen... Sinnvoller wäre vielleicht darauf zu achten, dass man vielleicht nicht die xte Nagelstudiogründung und dergleichen unterstützt... Naja, aber dann muss man ja wissen was in der Region so abgeht...

  • IG
    ille galer

    weniger förderung heißt mehr zeit für schwarzarbeit. die nachfrage ist extrem. alle wissen warum. schaut euch die preise an.

     

    migrant

  • RW
    Ralf Wünsche

    Deutschland ist wohl Absurdistan !? Wurde gestern bemängelt das vor und 2025 Fachkräfte fehlen. Nun mehr wird weiter gekürzt , obwohl hier sehr viele ohne jeden Abschluss sind.

     

    Anstatt das Bildungssystem umzubauen , wie es die OECD vorgeschlagen hat, aber auch die Qualifizierung im richtigen Sinne auszubauen , bleibt diesen nur eine Perspektive als " Rasenmäher" oder noch mehr persektivlos vor der " Glotze "

     

    Beim letzteren würde sich dann wieder die Schar der Sarrazin - Anhänger bestätigt fühlen !

     

    Also doch Absurdistan !