Reederei-Branche in Deutschland: Schiffe versenken, Schiffe verkaufen
Deutsche Schiffseigner klagen über zu wenig Aufträge und Probleme mit der Finanzierung. Auf Wachstum hofft nicht einmal mehr jeder zweite.
HAMBURG taz | Die deutsche Reederei-Branche hat ihre Krise noch nicht überstanden: Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers (PWC) schätzen die Reeder ihre Zukunftsaussichten negativer ein als noch vor einem Jahr. Knapp 90 Prozent der Befragten rechnen damit, dass viele das laufende Jahr nicht überstehen werden.
Den Reedern und Fondsgesellschaften, die die Schiffe finanzieren, geht zunehmend das Geld aus. Nach Zahlen der Deutschen Fonds-Research (DFR) werden aktuell 327 Schiffsfonds saniert: Ihre Eigentümer versuchen, sie durch frisches Kapital vor einer Insolvenz zu retten. Vor einem halben Jahr waren es 266, vor einem Jahr 197.
Die Zahl der tatsächlichen Insolvenzen hat sich seit Beginn der Krise 2008 auf 180 erhöht. „Das hat sich beschleunigt“, stellt Nils Lorentzen von der DFR fest. Vor allem aber habe es extrem viele Verkäufe gegeben. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2013 seien bereits mehr Schiffe verkauft worden als im gesamten vorherigen Jahr.
„Es sind alle sehr gefährdet“, sagt Petra Heinrich vom Reedereiverein Unterelbe. Sie vertritt eine Reihe kleinerer Unternehmen, die vor allem Zubringerschiffe betreiben. „Die meisten haben die Reserven, die sie hatten, schon reingesteckt“, sagt Heinrich.
Vorzeitig getilgt
Das Geschäft Heinrichs und ihrer Kollegen ist die Charter: Sie kaufen Schiffe und vermieten sie an Linienreedereien. Das macht die Linienreeder flexibel: Sie chartern nur soviel, wie sie für die eingeworbene Fracht tatsächlich brauchen. Nur fünf Prozent der deutschen Tonnage ist in der Hand von Linienreedereien.
Ausgerechnet die kleinen Reedereien, die vergleichsweise seriös gewirtschaftet haben, sind aus Sicht des deutschen Reederverbandes für Banken ein attraktives Opfer: Legen die Finanzinstitute die Hand auf deren weitgehend bezahlte Schiffe, verlieren sie weniger Geld als beim Verkauf stark kreditbelasteter Einheiten. „Viele von uns haben vorzeitig getilgt“, sagt Heinrich. Das könnte diesen Reedern jetzt schaden - zumal die Banken deren Untergang finanziell verschmerzen können.
Vor der Wirtschaftskrise verdienten sich die Reeder 15 Jahre lang eine goldene Nase. In Schiffe zu investieren, schien ein derart gutes Geschäft zu sein, dass die Reeder und ihre Banken immer größere Risiken eingingen. Jetzt haben laut PWC nur noch 70 Prozent der Reeder eine voll ausgelasteten Flotte. Fracht- und Charterraten sind oft nicht mehr auskömmlich, Schiffsfonds können Zins und Tilgung nicht mehr leisten.
Viele Ein-Schiff-Gesellschaften
Der hohe Druck zwingt viele Reeder, nach neuen Wegen zu suchen, um durchzuhalten, bis sich der Markt wieder normalisiert hat. Eine Möglichkeit, Insolvenzen abzuwenden, bestünde darin, sich zusammenzuschließen oder zumindest zusammen zu arbeiten. Laut PWC rechnen 80 Prozent der Reeder damit, dass es im laufenden Geschäftsjahr vermehrt zu Zusammenschlüssen kommt. 41 Prozent haben bereits kooperiert.
Doch obwohl Zusammenschlüsse die Kosten senken und Vorteile im Vertrieb bringen würde, sei dies in der Praxis „schwierig“, sagt Heinrich. Es werfe wegen der vielen Ein-Schiff-Gesellschaften unter dem Dach der Reedereien einen Haufen Probleme auf. Christoph Lauer vom Verband Deutscher Reeder vermutet, dass auch so manche jahrzehntealte Rivalität das Zusammengehen erschweren könnte.
Die meisten Reeder gehen nicht davon aus, dass sich ihre Lage bald bessern wird. Nur 43 Prozent glauben laut PWC, ihr Unternemen werde wachsen. Im Jahr davor waren es 53 Prozent.
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