Rechtsradikalismus in Rumänien: Fragwürdige Heilige
Rumäniens orthodoxe Kirche hat drei frühere rechtsradikale Geistliche in den Stand der Heiligen versetzt. Sie hätten Wunder vollbracht.
Namentlich erwähnt werden in der Mitteilung die Geistlichen Ilie Lăcătuşu (1909-1983), Ilarion Felea (1903-1961) und Dumitru Stăniloae (1903-1993). Seit der Wende 1989 wurden die drei Priester in rechtsextremen und fundamentalistischen Kreisen als „Gefängnisheilige“ und Märtyrer dargestellt, weil sie während der kommunistischen Zeit inhaftiert waren.
Trotz einschlägiger Beweise, durch die das Wiesel-Institut deren ultrarechte und antisemitische Haltung in den 1930er und 1940er Jahren belegte, hält die Kirchenführung an ihrem Beschluss fest. In einer offiziellen Stellungnahme des Pressesprechers der Patriarchie sowie in einem in der Kirchenzeitung Lumina (Das Licht) veröffentlichten Artikel heißt es, dass viele Heilige als Menschen Fehler gemacht hätten und man deren Entwicklung bis zum Lebensende berücksichtigen müsse. In den offiziellen Erklärungen werden auch Kriterien aufgezählt, die bei einer Heiligsprechung berücksichtigt werden müssten, wie die Vollbringung von Wundern.
Als „Wunderheiliger“ wird seit über zwei Jahrzehnten Ilie Lăcătuşu verehrt. Seine Angehörigen ließen den 1983 verstorbenen Pfarrer 1998 umbetten. Die mumifizierte Leiche wurde in einer kapellenähnlichen Gruft auf dem Friedhof „Mariä Himmelfahrt“ ausgestellt, der im Bukarester Viertel Giuleşti liegt. Nachdem sich herumgesprochen hatte, dass die Berührung der in priesterlichem Ornat gekleideten Reliquie Lăcătuşus Wunder vollbringen würde, pilgerten Tausende Gläubige zum Friedhof.
Wundersame Heilungen
Die Boulevardpresse, kirchennahe und rechtsnationalistische Publikationen berichteten von wundersamen Heilungen kinderloser Frauen, Krebskranker und Menschen mit Behinderungen. Über die Mitgliedschaft Lăcătuşus in der rechtsextremen Faschistenorganisation, der Legion des Erzengels Michael (auch als Eiserne Garde bekannt) schwiegen sich die Befürworter der Heiligsprechung aus. Ebenso über seine Tätigkeit als Missionar in dem während des 2. Weltkriegs von Rumänien eroberten und verwalteten Transnistrien, das heute zur Republik Moldau gehört.
Transnistrien war auch die Region, in die das mit Hitlerdeutschland verbündete rumänische Regime ab 1941 ukrainische und rumänische Juden deportierte. Ungefähr 300.000 sind in den KZ-ähnlichen Einrichtungen ums Leben gekommen.
Die Deportationen begrüßte auch das von dem nun heiliggesprochenen Theologen Dumitru Stăniloae geleitete Blatt „Telgraful Român“. In einem im November 1941 veröffentlichten Bericht befürwortete das Blatt die Verschleppung der Juden aus Chişinău (heute Hauptstadt der Republik Moldau) und die Säuberung der Stadt von dem „jüdischen Aussatz“. Die gleiche Maßnahme möge nun auch in allen anderen rumänischen Provinzen folgen.
Bereits im Oktober 1941 fand in dem von rumänischen Truppen besetzten Odessa eines der grauenvollsten Massaker an der jüdischen Bevölkerung statt. Über 20.000 Juden wurden in der Stadt ermordet.
An der Seite Francos
Im Herbst 1940 pries Stăniloae die Machtübernahme durch die Legionäre und den Hitlerverbündeten General Ion Antonescu. Dass Stăniloae sich nach 1990 nicht von seinen früheren Überzeugungen distanziert hatte, beweist sein Vorschlag, zwei Eisengardisten heiligzusprechen, die während des spanischen Bürgerkriegs als Freiwillige an der Seite Francos gefallen waren.
Auch der Theologe Ilarion Felea, der wie Lăcătuşu Mitglied der Eisernen Garde war, hatte in der von ihm redigierten Zeitung Biserica şi Şcoala (Kirche und Schule) zahlreiche antisemitische Beiträge veröffentlicht, gegen die Freimaurer gewettert und das Verbot so genannter religiöser Sekten durch das militärfaschistische Regime gutgeheißen.
„Das gesamte rumänische Volk stimmt der begonnenen Säuberung zu. Jeder Rumäne pflichtet den Maßnahmen General Antonescus bei. […] Unter dem legionaristischen Regime werden sich die Sekten nicht weiter verbreiten, die Freimaurerlogen aufgelöst und aus der Öffentlichkeit verbannt so wie die beseitigten politischen Parteien“, hieß es im September 1940 in dem Blatt Feleas.
Die Patriarchie bleibt bei ihrem Heiligsprechungsbeschluss und ignoriert jegliche Einsprüche. Auch den zuletzt von der israelischen Diplomatin, Colette Avital. In einem Brief fordert die Vorsitzende des Dachverbands von 58 Holocaust-Organisationen den Patriarchen auf, die Kanonisierung der drei Geistlichen zu überdenken, weil diese als „moralische Modelle“ ungeeignet seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste