Rechtsextremismus: Minister findet Dessauer Polizei in Ordnung
Werden in Sachsen-Anhalt rechtsextreme Straftaten vertuscht? Opposition und Regierung streiten über Arbeit der Polizei.
![](https://taz.de/picture/424375/14/Holger.jpg)
BERLIN taz Die Affäre um die angebliche Vertuschung rechtsextremer Delikte im Dessauer Polizeipräsidium soll folgenlos bleiben. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) stellte sich gestern hinter den umstrittenen Vizechef der Dessauer Polizei. Die Begründung: Ein Untersuchungsbericht habe keine Hinweise erbracht, dass der Leitende Polizeidirektor gegen seine Beamtenpflichten verstoßen habe.
Nach Ansicht des Ministers bietet der Bericht zu der Affäre nicht "die geringste Veranlassung", an den "freiheitlich-demokratischen" Überzeugungen des Polizeivizes zu zweifeln. Doch mit Hövelmanns Erklärung dürfte die Affäre nicht zu Ende und die sachsen-anhaltische Polizei nicht aus den Schlagzeilen sein. Denn die Linksfraktion in Magdeburg reagierte prompt entrüstet. "Dies ist eine völlig falsche, höchst widersprüchliche Bewertung des Vorfalls", sagte Fraktionschef Wulf Gallert der taz. Schließlich habe der Autor des Berichts vor der Presse de facto die Vorwürfe gegen den Polizeivize bestätigt.
Die Dessauer Affäre steht in einer Reihe mit einer Serie von Pannen und Ungeheuerlichkeiten, die sich sachsen-anhaltische Ordnungshüter in der Arbeit gegen Rechtsextremismus geleistet hatten - darunter der Skandal um die Verbrennung des Tagebuchs der Anne Frank in Pretzien. Dem Dessauer Polizeivize war von drei Staatsschützern aus dem eigenen Haus vorgeworfen worden, er habe ihnen angesichts der ausufernden Zahl rechtsextremer Straftaten geraten, diese öfter mal zu ignorieren. Laut dem Gedächtnisprotokolls eines Staatsschützers soll sich der Polizeivize auch über die Kampagne der Landesregierung gegen rechts lustig gemacht haben, die den Titel "Hingucken!" trägt: Diese Initiative sei doch "nur für die Galerie".
Innenminister Hövelmann hatte zuletzt keine Scheu gezeigt, das Versagen der Polizei im Kampf gegen Rechtsextremismus auch öffentlich anzuprangern. Erst diese Woche rüffelte er seine Truppe in einem offenen Brief, weil Polizisten in Halberstadt rechtsextreme Schläger hatten laufen lassen.
Dass der Minister den zweiten Mann im Dessauer Polizeipräsidium nun in Schutz nimmt, leuchtet der Linksfraktion nicht ein. Schließlich habe der Leiter der Untersuchung öffentlich eingeräumt, dass die Vorwürfe der Staatsschützer gegen ihren Vorgesetzten keine Märchen gewesen seien. Nun aber, kritisiert Fraktionschef Gallert, würden die - inzwischen zwangsweise versetzten - Staatsschützer in ein schlechtes Licht gerückt. Dies sei das "falsche politische Signal", warnte Gallert.
Bisher kennt nur die Regierung den vom Rektor der Polizeifachhochschule in Aschersleben angefertigten Untersuchungsbericht zu der Affäre. Die Linksfraktion verlangt nun, dass auch das Parlament das Papier erhält. Denn sie will den Fall nächste Woche nochmal im Innenausschuss zum Thema machen.
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