piwik no script img

RechtsextremismusRechter Musikfan muss zahlen

Landgericht verurteilt ehemaliges Mitglied der rechten Szene wegen des Kaufs von 100 Neonazi-CDs zu Geldstrafe. V-Mann des Verfassungsschutzes hatte ihn verraten.

Der bullige Sven B. sieht ein wenig verloren aus, als er im hohen, mit Stuck verzierten Saal 700 des Landgerichts vor den Richter tritt. Viel sagt der 36-Jährige nicht, den Vorwurf der Anstiftung zur Volksverhetzung akzeptiert er. Nach zweistündiger Verhandlung verurteilt das Landgericht den Facharbeiter am Donnerstag zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro.

Sven B. hatte im Jahr 2002 insgesamt 100 CDs bei einem Musiker der Berliner Neonazi-Band "Deutsch.Stolz.Treu" (D.S.T.) bestellt, um sie weiterzuverkaufen. Doch das Projekt scheiterte an polizeilichen Ermittlungen. Durch einen V-Mann des Verfassungsschutzes, der im brandenburgischen Guben einen rechten Szeneladen mit Kleidung und Musikprodukten führte und der die CDs besorgen sollte, bekam die Berliner Polizei einen Hinweis. So konnte sie die Tonträger im Auto eines Boten sicherstellen und Sven B. auf frischer Tat festnehmen.

Während der Verhandlung konnte oder wollte sich der Angeklagte nicht detailliert zu den Vorgängen des Jahres 2002 äußern. "Das ist alles schon so lange her, dass ich mich kaum erinnern kann", gab er zu Protokoll.

Sein Gedächtnisverlust könnte, vermutet der Richter, mit einem Überfall im Jahr 2002 zusammenhängen. Drei maskierte Männer hätten Sven B. überfallen und versucht einzuschüchtern, wie der Angeklagte im Prozess berichtete. Wer ihn überfiel, wollte er nicht sagen.

Nach eigenen Angaben hatte der Angeklagte seit 1995 Kontakte in die rechtsextreme Szene Berlins; was er dort genau getan hat, wollte B. nicht sagen. 2002 sei er ausgestiegen. Auch hat er Berlin vor sechs Jahren verlassen und lebt in Thüringen.

Insgesamt gibt es noch drei weitere Anklagen gegen die Musiker und Produzenten der CDs, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald. Den Männern werde ebenfalls Volksverhetzung vorgeworfen. Bisher gebe es aber noch keinen Termin für die Prozesse. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei bei einer Großrazzia in vier Bundesländern im Umfeld der Band "Deutsch.Stolz.Treu." 1.500 CDs und weiteres Propagandamaterial beschlagnahmt. Die Polizei hatte von einem erfolgreichen Schlag gegen die rechtsextreme Band gesprochen. Die vier Musiker waren vorrübergehend festgenommen worden.

Nach dem Urteilsspruch verzichtet Sven B., der 2006 wegen eines ähnlichen Deliktes zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, auf eine Berufung. Zusammen mit seinem Anwalt verlässt er wortlos den Saal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!