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Rechtsextremismus in FrankreichFreitod vor dem Altar

In der Kathedrale Notre-Dame hat sich der rechte Intellektuelle Dominique Venner erschossen. Die extreme Rechte würdigt seinen „letzten Kampf“.

Notre-Dame kurz nach dem Selbstmord am Dienstagnachmittag. Bild: ap

PARIS taz | Wie üblich stehen die Touristen geduldig an, um die Pariser Kathedrale Notre-Dame zu besichtigen. Draußen auf der weiträumigen Esplanade deutet nichts auf die Tragödie hin, die sich am Dienstag im Innern abgespielt hat. Jérôme Beau, Hilfsbischof der Kathedrale, war Zeuge: „Ein Mann gelangte kurz vor 16 Uhr in den außerhalb der Messen für das Publikum abgesperrten Chor. Er legte einen Brief auf den Altar. Dann hat er eine Waffe gezückt und sich den Tod gegeben.“

Rektor Patrick Jacquin präzisierte, es sei seines Wissens das erste Mal, dass sich jemand in der Notre-Dame das Leben genommen habe. Der Selbstmörder sei ihm persönlich nicht bekannt. Ein Unbekannter war er indes keineswegs. Beim 79-jährigen Dominique Venner handelt es sich um einen bekannten Historiker und Essayisten aus dem rechtsextremen Milieu.

Rund 1.500 Besucher befanden sich zum Zeitpunkt seines Freitods in der Kathedrale. Die meisten von ihnen hatten zwar einen Knall gehört, von der blutigen Verzweiflungstat vor dem Altar aber nichts bemerkt. Weil sofort ein großes Polizeiaufgebot den Zugang zur Notre-Dame absperrte, glaubten viele, es handle sich um einen Bombenalarm. Schnell und ohne Zwischenfälle wurde die Kathedrale geräumt.

Sehr schnell machte in den französischen Medien die Meldung die Runde, Venners Suizid sei eine politisch motivierte Tat eines „Märtyrers“. Er war wegen Zugehörigkeit zur terroristischen rechtsextremen Geheimarmee OAS, die vor 1962 gewaltsam gegen die Unabhängigkeit Algeriens gekämpft hatte, inhaftiert worden und danach in diversen rechtsradikalen Gruppierungen führend. Mitte der 1970er Jahre zog er sich aus der aktiven Politik zurück, um sich der Publikation von Büchern und Pamphleten zu widmen.

"Letzter Kampf" für ein schönes Frankreich

Noch am Dienstagabend versammelten sich rund 100 Rechtsradikale zu seiner Ehre neben der Kathedrale vor der Statue von Karl dem Großen. Ein Sprecher würdigte Venners „letzten Kampf für ein schönes, starkes Frankreich, das stolz auf sich ist“. Anschließend stimmten sie das in faschistischen Kreisen beliebte Lied „Les Lansquenets“ an.

Am Tag danach sind alle Spuren des makabren Spektakels entfernt. John Hage, ein 45-jähriger US-Tourist, ist nicht schockiert: „Bei uns in den USA schießen leider oft Leute auf sich und andere an öffentlichen Orten.“ Ein etwa 35-jähriger Franzose in dunklem Regenmantel verrät: „Ich bin gekommen, um für Dominique Venner zu beten. Auch für das Heil von Frankreich und der christlichen Familie. Das hat Frankreich bitter nötig.“

Noch am Dienstagmorgen hatte Venner auf seinem Internetblog einen Text zur Kundgebung der Homo-Ehe-Gegner am kommenden Sonntag veröffentlicht. Darin schreibt er, es genüge nicht, „nette Kundgebungen zu organisieren“, um zu verhindern, dass Frankreich „in die Hand islamistischer Machthaber“ falle. In einer auf dem Radiosender „Courtoisie“ verlesenen Abschiedsbotschaft präzisierte er, dass es sich bei seinem Suizid um einen „politischen Akt“ handle: „Ich wähle den Tod, um das eingeschläferte Bewusstsein aufzuwecken. Ich lehne mich gegen den Fatalismus auf.“

Ihm geht es nicht nur um die Homo-Ehe, die ihm zufolge die „Seelen vergiftet“ und „die Verankerung unserer Identität, und namentlich die der Familie, zerstört, die den Sockel unserer Jahrtausende alten Zivilisation bildet“. Er wendet sich gegen die Immigration, die er als „Versuch, unsere Bevölkerungen auszutauschen“, verurteilt. In dieser nachträglichen ideologischen Rechtfertigung seiner Tat erinnert Venner an den Norweger Anders Breivik. Der freilich richtete die Waffe nicht gegen sich selbst.

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17 Kommentare

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  • BI
    Burning in hell

    @ friedbert

     

    Sie haben meinen Kommentar offenbar nicht richtig gelesen oder nicht verstanden.

     

    Ich habe keineswegs die Schließung sämtlicher katholischer Kirchen nebst der in ihrem Namen betriebenen Einrichtungen gefordert. Ich wollte Ihnen anhand eines Vergleichs mit den Gewaltskandalen in der katholischen Kirche aufzeigen, wie unsinnig ihrer Argumentationsweise ist.

     

    Nochmal: Die Tatsache, dass es in einer Bevölkerungsgruppe Menschen gibt, die Verbrechen begehen, rechtfertigt es in keinster Weise, der gesamten Bevölkerungsgruppe grundlegende Rechte vorzuenthalten und diese so zu diskriminieren.

     

    Die „Homoehe“ ist auch in Frankreich ein überfälliger Akt der Gleichberechtigung. Wo Menschen die neue Ehe-Institution ausnutzen, um unter ihrem Deckmantel schwere Verbrechen gegen die Menschenwürde z. B. von Kindern zu begehen, gehört dies selbstverständich strafrechtlich verfolgt. Genau wie in jedem anderen gesellschaftlichen Bereich und jeder anderen gesellschaftlichen Institution.

  • F
    friedbert

    @burning in hell

    Tolle Strategie, wo käme unser Rechtsstaat hin

    wenn wir sagen würden, bevor du mir Dinge

    untersagst, muss der Staat jeder einzelnen Mafiaorganisation vorher genauso den Hahn abdrehen.

    Wenn das dann alle Delinquenten machen, wissend

    das der Staat nicht alle gleichzeitig

    packen kann, bedeutet dies Straffreihheit für alle

    egal bei welchen Verbrechen.

     

    Diese Logik ihrerseits können sie vergessen.

    Die wurde aus guten Grund auch noch nie angewendet!

  • BI
    Burning in hell

    @ friedbert

     

    Männer und Frauen, die - egal ob sie homo- oder heterosexuell veranlagt sind - in irgendeiner Weise sexualisierte Gewalt gegen Kinder ausüben oder sonstwie deren Menschenwürde massiv verletzen, gehören ohne Zweifel strafrechtlich verfolgt.

     

    Aber Ihre implizite Gleichsetzung von männlicher Homosexualität einerseits und Pädosexualität andererseits ist gelinde gesagt eine bodenlose Frechtheit.

     

    Man kann wohl kaum die Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe legitimieren, weil es in dieser Bevölkerungsgruppe Menschen gibt, die sexualiserte Gewalt an Kindern begehen.

     

    Mit Ihrer Argumentationsweise könnten Sie z. B. die sofortige Schließung sämtlicher katholischer Kirchen nebst katholisch gebundener KiTAs, Schulen etc. fordern.

  • F
    friedbert

    Für alle die, die für die Homoehe sind,

    eine Frage:

    Wie soll der Rechtsstaat in der Masse

    die Kinder vor pädophilen Übergriffen

    von Männerheiratspaaren schützen?

    Wie soll er Frauen in ökonomischen Nöten davor bewahren, als Gebärvehikel mißbraucht zu werden?

    Was ist, wenn die Kinder dann selbst

    vorrangig homosexuell oder identitätsgestört werden,

    weil ihnen jegliches Rollenbild abhanden kommt?

     

    Pädophile sind meist männlich.

    Manchmal arbeiten ihnen Frauen als Komplizinnen

    zu. Selten sind Frauen selbst pädophil.

    Pädophilie ist aber ein massives Problem!!

    Die Gefängnisse beherbergen deutlich mehr

    pädophile Männer als Frauen.

     

    Stellen wir uns also beispielsweise ein Männerpaar

    vor!

    Was hindert diese Männer daran also nun Kinder zu

    adoptieren? Nicht viel, wenn das Gesetz verabschiedet ist.

    Was hindert sie daran, sich zu trennen und die Kinder

    untereinander aufzuteilen? Nicht viel.

    Was hindert sie daran mit einen neuen Mann

    weiterzuleben? Auch daran hindert sie niemand?

    Mit einen anderen Mann, der auch Kinder adoptiert hat? Diese treffen sich dann mit anderen Männern

    und deren Kindern. Und nun "verlieben" sich die

    erwachsenen Männer in die Kinder der anderen Homokinder. Ein trefflicher legaler Pädophilenring entsteht, weil die Kinder natürlich im gegenseitigen

    "Einvernehmen" den Sex "wollen".

    Weil die Kinder in psychologischer und materieller

    Abhängigkeit zu ihren "Eltern" mit stünden,

    wäre es umso schwerer sich davon zu befreien.

    Die Menschen tragen ihre Veranlagung zu Homosexualität oder Heterosexualität meist

    beide in sich. So wie Männer in Knästen nicht

    selten schwul werden, so ist das auch

    bei vorwiegend männlichen Populationen im Tierpark!

    Traumatische Kindheitserlebnisse können ebenso

    prägen.

    Frauen, als bezahlte Leihmütter und

    EizellVERKÄUFERINNEN verlieren ihre Würde!

    Als Linker kann man die Kommerzialisierung

    und Funktionalisierung

    der Frau, zur Gebärmaschine nicht akzeptieren.

    Die TAZ sollte auch diese abweichende

    Meinung respektieren und veröffentlichen!

    ----------------------------------------

  • KK
    keine Kirchenanhängerin

    22.05.2013 17:11 UHR

    von Thomas:

    Unverschämtheit gerade in einer Kirche Selbstmord zu begehen, da wird er erste recht keine kirchliche Beerdigung bekommen.

     

    Antwort:

    Ja, stimme ich zu. In der Kirche so eine Schweinerei zu veranstalten, die Reinigugskräfte müssen das auch noch wegschaffen.

     

    Was die Beerdigung betrifft meine ich

    Darauf wird der junge Mann (79) auch keinen Wert legen.

  • WI
    was ist das denn

    22.05.2013 18:13 UHR

    von neubau:

    Es gibt keine "rechten Intellektuellen", es gibt höchstens "rechte selbsterklärte Intellektuelle". Menschenfeindliche Einstellungen negieren nämlich jeglichen Intellekt.

     

    Wauw, das hat Bedeutung ?????????????

  • M
    Montherlant

    An neubau:

     

    "Es gibt keine "rechten Intellektuellen", es gibt höchstens "rechte selbsterklärte Intellektuelle". Menschenfeindliche Einstellungen negieren nämlich jeglichen Intellekt."

     

    Gibt es dann auch keine linken Intellektuellen, weil diese "linke selbsterklärte Intellektuelle" sich beharrlich weigern, bestimmte Fakten anzuerkennen und seit Jahren immer wieder die Realität nach ihren eigenen Maßstäben beurteilen, ohne dabei selbst Erkenntnisse zu berücksichtigen, die Leute aus den eigenen Reihen haben?

     

    Was für eine unsäglich alberne Argumentation von Ihnen.

    Wer hier beim Artikel Venners Argumentation bezüglich Homo-Ehe und Islam nicht verstanden hat, sollte vielleicht einmal an anderer Stelle nachlesen, als ausgerechnet bei der taz. Die Sache mit dem Tellerrand und dem Ehrlich-Verstehen-Wollen und so...

  • W
    Wagner

    Also, die gleichgestellte Ehe für Homosexuelle mit dem Islamismus zu verschwurbeln, das ist echt kreativ. Zu schade, daß man den Herrn nicht mehr fragen kann, wie er sich das vorstellt.

  • C
    Celsus

    Ob das Rechtsextreme dann in Scharen tun? Das würde einigen Szenen in "Das Leben des Brian" von Monthy Python eine neue Bedeutung geben.

  • DR
    Dr. rer. nat. Harald Wenk

    eine erinnerung an geheime militante strukturen. die sind tätige heimtücke gewohnt. charleslemagne liegt allerdings in Aachen. der in rechtsradikalen kreisen viel verbreitete nietzsche lehrte übrigens: "stirb zur rechten zeit", was einen freitod mit 79 vom freitoden aus als wahl des größeren gutes erscheinen lässt, im gegensatz zur "sklaven"deutung, dem identifikatorischen, angstvollen mitleiden, das nietzsche rundherum ablehnte.

    die weit vor "mythische" realanspielung auf selbstverbrennungen und selbstmordattentate dürfte "realistischer" sein, aber der weise peppt den generischen standpunkt zur endgültigen erledigung etwas auf - als signum waher intelligenz.

     

    nietzsche starb punktgenau "normal" 1900, nach 10 jahren "allgemeiner paralyse" aus sexabenteurbedingter syphilis (damals recht häufig, auch als "attentat").

     

    nietzsche war publizistischer "antichrist" und bekannte sich genau in der schrift zum islamunterstützer.

     

    ja, der nietzsche ist so ziemlich einzige "philosoph des krieges" und "amoralischer "geheimer armeen".

  • T
    tommy

    @Thomas

     

    Ich glaube, Venner war eher ein Neoheide als ein Christ. Jedenfalls ein recht geschmackloser Abgang.

  • S
    sarko

    Joo mei , ... eigentlich keine schlechte Idee , wenn Rechtsextreme sich selbst erschießen . Für Volk und Vaterland , ... oder so .

  • N
    neubau

    Es gibt keine "rechten Intellektuellen", es gibt höchstens "rechte selbsterklärte Intellektuelle". Menschenfeindliche Einstellungen negieren nämlich jeglichen Intellekt.

  • FI
    Franzose in Deutschland

    "Rechter Intellektueller"... sowas gibt es nicht.

    Nicht einmal Respekt vor der Kirche.

  • C
    Christian

    Wenn die französische intellektuelle Rechte Islam und Homoehe nicht auseinander bekommt und sich außerdem in der Homoehe persönlich bedroht sieht, dann kann es mit ihrer Geisteskraft nicht so weit her sein.

     

    Aber besser sie erschießen sich selbst als andere. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich den Tod dieses Mannes bedauere. Dazu war er zu voller Hass.

  • M
    mir

    Vorbildlich !!!!

    Ich unterstütze Nachahmer.unter den Brüdern im Geiste.

     

     

     

     

     

     

    Natürlich meine ich den Artikel

  • T
    Thomas

    Unverschämtheit gerade in einer Kirche Selbstmord zu begehen, da wird er erste recht keine kirchliche Beerdigung bekommen.