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Rechtsextremismus an SchulenRechte Hoch-Burg

Die Schule, aus der ein Hilferuf wegen rechter Vorfälle kam, steht in Burg (Spreewald). In dem Ort scheint ein rechter Treffpunkt zu entstehen.

Nächster Halt Extremismus? Bushaltestelle in Burg (Spreewald) Foto: picture alliance/dpa

Berlin dpa/taz | Bei der Schule im Brandenburger Spree-Neiße-Kreis, an der es offenbar gehäuft zu rechten Vorfällen kommt, handelt es sich um die Grund- und Oberschule „Mina Witkojc“ in Burg (Spreewald). Am Dienstag war ein offener Brief bekannt geworden, in dem Lehrkräfte anonym die Zustände an ihrer Einrichtung beklagt hatten, ohne Hinweise auf den genauen Standort der Schule zu geben. Am Donnerstag sickerte die Information allerdings durch.

Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben bereits seit Dienstag zu den Vorfällen und hat an der Schule in Burg auch schon erste Vernehmungen durchgeführt. Das bestätigte der Sprecher der Behörde, Maik Kettlitz. Zudem sei über das Internet eine Anzeige zu den Vorfällen eingegangen.

Beschrieben hatte der offene Brief Vorkommnisse wie mit Hakenkreuzen beschmiertes Schulmobiliar, rechtsextreme Musik, die im Unterricht gehört wird, oder demokratiefeindliche Parolen auf dem Schulflur. In dem Schreiben heißt es außerdem: „Wir erleben eine Mauer des Schweigens und der fehlenden Unterstützung seitens Schulleitungen, Schulämtern und Politik bei der Bekämpfung demokratiefeindlicher Strukturen, sowohl in der Schüler- und Elternschaft als auch bei den Kollegen.“

Rechter Treffpunkt seit 2020

Schon 2020 hatte das Brandenburger Innenministerium mitgeteilt, es befürchte im Spreewald das Entstehen eines Treffpunkts für Anhänger der rechtsextremen Szene. In Burg, einer Gemeinde mit gut 4.000 EinwohnerInnen und vielen touristischen Angeboten, sollen demnach Unternehmer mit Bezügen zur rechtsextremen Szene im Raum Cottbus eine Immobilie für Treffen oder Konzerte erworben haben. Das Gebäude sei von Anhängern der Szene aufgesucht worden, hieß es.

Die Sicherheitsbehörden führten damals Informationsgespräche mit Vertretern vor Ort, der Amtsdirektor von Burg, Tobias Hentschel, zeigte sich besorgt: Burg sei ein weltoffen, tolerant und gastfreundlich, sagte er, „nationalsozialistische Ideologien haben bei uns keinen Platz“. Die Lehrkräfte der Schule zeichnen nun ein anderes Bild. „Die wenigen ausländischen und toleranten Schüler an unserer Schule erleben Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltandrohungen“, heißt es im Brief. „Es herrscht das Gefühl der Machtlosigkeit und der erzwungenen Schweigsamkeit.“

Aus Sicht der Amadeu Antonio Stiftung werden rechte Vorfälle an Schulen noch zu oft heruntergespielt. Schulleitungen wiegelten ab und bagatellisierten Vorkommnisse als Dumme-Junge-Streiche, sagt der Sprecher der Stiftung, Lorenz Blumenthaler. Lehrkräfte, die etwa Hakenkreuz-Schmierereien meldeten, fühlten sich oft allein gelassen. Schulleitungen wüssten häufig nicht, wie sie mit Rechtsextremismus im Schulalltag umgehen sollten, und sorgten sich um den Ruf der Schule.

Chance für offene Debatte

Der Brief der Lehrkräfte aus Burg kann aus Blumenthalers Sicht eine Chance sein, dass eine offene Debatte angestoßen wird. Die Stiftung, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert, spüre seitdem bereits mehr Beratungsbedarf von Schulen.

Auch die Brandenburger Politik wurde von dem Hilferuf aufgeschreckt: Im Bildungsausschuss des Potsdamer Landtags sind die Vorfälle auf Antrag der Linksfraktion Thema. Derweil hat der Fachverband Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit in Brandenburg von Lehrkräften signalisiert bekommen, dass es einen hohen Austauschbedarf zu Phänomenen der Jugendgewalt und des Rechtsextremismus gibt. „Wir müssen davon ausgehen, dass vergleichbare Vorfälle auch in anderen Regionen und in anderen pädagogischen Settings üblich sind“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes, Sebastian Müller.

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1 Kommentar

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  • Ein betroffener engagierter Lehrer gab dem rbb ein bemerkenswertes Interview.

    Auszug

    Lehrer: „Es sind keine Einzelfälle mehr. Es ist im alltäglichen Sprachgebrauch der Jugendlichen. Die Taten, wie das Zeigen des Hitlergrußes, häufen sich - beziehungsweise sind erst mal nur die Spitze des Eisberges. Ich denke, dass sich da in den letzten Jahren ganz viel gestaut hat, dass sich da Strukturen verfestigt haben, die einfach nicht mehr zu lösen sind. Wir haben ein Problem mit Rechtsextremismus. Wir haben dahingehend ein Problem, dass Schüler, die anders denken, diskreditiert werden. Wir haben das Problem, dass die wenigen geflüchteten Schüler, die wir in der Schule haben, beleidigt werden. Sie werden angegangen. Ein weiteres Problem ist, dass die Lehrerschaft nicht hinschaut. Und das größte Problem ist, dass Straftaten begangen werden und es wird einfach zu lange weggesehen".

    www.rbb24.de/studi...iew-lehrkraft.html

    Ein ausgegrenzter farbiger Schüler habe die Schule verlassen, weil die Schulleitung nichts unternahm.



    Schulaufsicht, Schulleitung und Teile der Lehrerschaft, die rechtsextreme Chats etc. nicht sofort anzeigten oder nichts zum Schutz bedrohter Schüler unternahmen, werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Verantwortung gezogen.



    Politik schweigt zu dem Vorwurf, derartige Zustände verschlafen zu haben, schickt eine Taskforce gegen Rechtsextremismus.



    Dass ein Lehrer nur anonym der Presse über diese Missstände berichtete, wird vom bildungspolitischen Sprecher der CDU in Brandenburg, Hoffmann, als Mut verklärt. Kein Verweis auf das massive Versagen der Schulleitung. Der Rechtsextremismus an Brandenburger Schulen sei ein Spiegel der Gesellschaft, sagte er dem RBB lapidar.

    Im Osten von Sachsen (Lausitz) ist es vermutlich genauso an Schulen. Doch Politik ignoriert dieser Entwicklung, während die AFD immer mehr an Boden im Osten gewinnt.

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