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Rechtsextremismus-Bericht in NeuköllnGeheimsache Rechtsextremismus

Das Parlament von Berlin-Neukölln stimmt mehrheitlich dafür, dass ein Bericht über rechtsextreme Aktivitäten im Bezirk unveröffentlicht bleibt.

An der Seite der Betroffenen: Neuköllner Initiativen und Anwohnende am Mittwoch vor dem Rathaus Neukölln Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Der Neuköllner Bericht zu rechtsextremen Aktivitäten im Bezirk bleibt vorerst weiter unter Verschluss. Das hat am Mittwochabend die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln mit den Stimmen von CDU, AfD und SPD mehrheitlich gegen die Stimmen von Grünen und Linken beschlossen. Der im März vorgestellte Bericht war nach wenigen Tagen wieder von der Homepage des Bezirksamts verschwunden. Nun ist klar: Er bleibt bis auf Weiteres verschwunden.

Der Jahresbericht – der erste seiner Art in Neukölln – geht ursprünglich auf eine Initiative der Bezirks-SPD aus dem Jahr 2017 zurück. Bundesweit hatte damals der rechte Terror im Bezirk Schlagzeilen gemacht.

Die Aufarbeitung sei keinesfalls abgeschlossen, heißt es im Vorwort des Berichts. Und: „Rechtsextrem motivierte Straftaten und Vorfälle sind immer noch Alltag in Neukölln.“ Genannt werden Brandanschläge, Beleidigungen, Übergriffe, zudem rechtsextreme Netzwerke mit Verbindungen zur AfD, aber auch zum konservativen Spektrum. Dies wie auch der Umstand, dass Betroffene und Initiativen hier zu Wort kommen und staatliche Strukturen kritisieren, sorgt dafür, dass die CDU – immerhin die stärkste Fraktion in der Neuköllner BVV – Sturm läuft gegen den Bericht.

Unstimmigkeiten im Bezirksamt

Der Streit um dessen Inhalt wird auch am Mittwochabend in der BVV deutlich. Kritik kommt von zwei Seiten. Da ist zum einen die CDU, die sich offenkundig durch den Bericht selbst angesprochen fühlt. Jedenfalls moniert sie, dass das 60-Seiten-Dokument auch „konservative Akteure“ als Problem benennt. Überhaupt enthalte der Bericht „linksextreme Forderungen“. Die Union pocht dann auch mindestens auf Streichung bestimmter Passagen. Etwa die, in der die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş die eine „Reduktion des Polizeiapparates“ fordert.

Zum anderen stellt sich auch die SPD gegen die Veröffentlichung. Die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen sorgen sich dabei insbesondere vor juristischen Konsequenzen, konkret: wegen Missachtung des Neutralitätsgesetzes. Es handle sich um eine „juristische Grauzone“, erklärte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Der Inhalt sei zwar legitim. Vor einer etwaigen Wiederveröffentlichung müsse aber stärker betont werden, dass es sich nicht um die Meinung des Bezirksamts handle.

Nur Grüne und Linke zeigten sich einig. „Nicht alles, was man sichtbar macht, macht man sich auch zu eigen“, sagte Jugendstadträtin Sarah Nagel zur Kritik an ihrer Arbeit. Wie andere Red­ne­r*in­nen von Grünen und Linken appellierte auch Nagel, sich an die Seite der Betroffenen rechtsextremer Gewalt zu stellen – auch wenn die CDU das zu verhindern versuche.

Allein es half nichts. Die Mehrheit votierte gegen den Bericht in seiner aktuellen Form. Schon im April hatte das SPD-geführte Bezirksamt der taz auf Nachfrage mitgeteilt, der Text werde nun noch einmal „bearbeitet“.

Ein ebenfalls am Mittwoch von der CDU eingebrachter Missbilligungsantrag gegen Nagel fiel dagegen durch. In diesem Fall stellte sich die SPD hinter die Stadträtin. Zusammen mit den Stimmen von Grünen und Linken wurde der Antrag abgeschmettert.

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