Rechtsextreme im Bezirksparlament: NPD-Chef plaudert aus dem Nähkästchen
Bei einer Infoveranstaltung der NPD in Treptow-Köpenick muss Parteichef Udo Voigt seine Worte vorsichtig abwägen.
Er lehnt sich nach vorne auf sein Rednerpult, neigt den Kopf zur Seite und sagt: "So, jetzt plauder ich mal aus dem Nähkästchen." Ein selbstgefälliges Lächeln umspielt Udo Voigts Schnauzer, während er seinen Anhängern erzählt, wie alle Anträge der NPD in Treptow-Köpenick mit 52 zu 3 Stimmen abgelehnt werden. Und wie sie es trotzdem schafft, ihre Politik gegen die "Mafia der Etablierten" durchzusetzen, die sich doch nur für "Rote, Asylanten und Ausländer" interessiere. Die Menge applaudiert.
Seit 2006 sitzt die NPD mit drei Abgeordneten in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Treptow-Köpenick, unter ihnen NPD-Bundesvorsitzender Udo Voigt. Am Montag lud die BVV-Fraktion zu einem Informationsabend ins Treptower Rathaus, um ihren Wählern von ihrer Arbeit zu berichten.
Vor dem Rathaus protestieren laut Polizei rund 150 Menschen, vorwiegend Anhänger des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, gemeinsam mit Bezirksvertretern von Grünen, SPD und CDU gegen die NPD-Veranstaltung. Drinnen im Rathaussaal erwartet die ungefähr genauso vielen Rechtsextremisten jede Menge heiße Luft und ein paar tröstende Worte zur Lage der Treptower und Köpenicker Deutschen.
Diese fallen jedoch vergleichsweise vorsichtig aus, da die NPD erstmals einen Raumnutzungsvertrag unterschreiben musste. In diesem verpflichtete sie sich, keine rechtsextremen, rassistischen oder antisemitischen Inhalte zu verbreiten. "Ich werde mich heute wohl zurücknehmen müssen", scherzt der NPD-Bezirksverordnete Eckhart Bräuniger zu Beginn seiner Rede. Die meist älteren, überwiegend männlichen Zuhörer lachen. "Aber wir lassen es nicht zu, dass Deutsche in Deutschland nicht mehr ihre Meinung sagen dürfen", poltert er und holt sich den sicheren Applaus ab.
Die NPD will den Vertrag im Nachhinein von einem Gericht prüfen lassen. "Und dann wird sich herausstellen, dass dieser Vertrag sittenwidrig ist", sagt Voigt. "Ein Witz, ein sehr undemokratischer Witz."
Nicht dass er rassistische Inhalte äußern wolle, so Voigt. Dies sei immerhin eine Fraktionsveranstaltung und keine Bundesveranstaltung. Heute gehe es in erster Linie um die "politischen Erfolge" seiner Fraktion. Angesichts der einseitigen Berichterstattung könne er seine Wähler ja nicht anders informieren.
Zu ihren größten Erfolgen vor Ort zählt die NPD die öffentlichen Toiletten, die demnächst in Treptow-Köpenick entstehen sollen. Immer wieder holen Udo Voigt und sein Parteikollege Eckhart Bräuniger dieses Beispiel hervor. Zwar sei auch dieser Antrag der NPD zunächst abgelehnt worden. Aber so gehe es ja vielen Anträgen, die die NPD-Fraktion stelle, sagt Voigt. Zunächst lehnten die gegnerischen Parteien sie ab, um sie im Nachhinein selbst umzusetzen. "Die haben Angst, dass wir bei den nächsten Wahlen noch mehr Stimmen kriegen könnten", schreit Voigt. Seine Anhänger lachen. Deshalb beseitigten sie die Missstände, auf die die NPD aufmerksam mache, damit sie sie nicht für ihren Wahlkampf nutzen könne, so Voigt.
Der NPD-Vorsitzende könnte noch viele Beispiele für erfolgreiche NPD-Politik in seinem Bezirk nennen. Er lehnt sich nach vorne auf sein Rednerpult, neigt den Kopf leicht zur Seite und sagt: "Aber ich will ja nicht zu viel aus dem Nähkästchen erzählen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt