Rechtsanwalt über umstrittene Deals: „Wie auf dem Basar“
Der Freiburger Rechtsanwalt Klaus Malek spricht zum Strafverteidigertag über die Häufung abgesprochener Urteile in Verfahren und falsche Geständnisse.
taz: Herr Malek, an diesem Wochenende findet in Freiburg der bundesweite Strafverteidigertag statt. Ein Hauptthema sind die „Deals“ in Strafprozessen. Wie oft haben Sie als Anwalt schon ein Urteil mit dem Gericht ausgehandelt?
Klaus Malek: In meiner 30-jährigen Tätigkeit als Strafverteidiger dürften das wohl deutlich mehr als hundert sogenannte Verständigungen gewesen sein, bei insgesamt rund drei- bis viertausend Strafprozessen. Allerdings nimmt die Häufigkeit zu. Am Landgericht endet zurzeit etwa jeder dritte Fall, in dem ich verteidige, mit einem Deal.
Wo findet so eine Verständigung statt? Im Sitzungssaal?
Nein, in der Regel trifft man sich im richterlichen Beratungszimmer, ohne Öffentlichkeit. Beteiligt sind nur das Gericht, der Staatsanwalt und der Verteidiger. Selbst der Angeklagte ist in aller Regel nicht dabei, obwohl das Gesetz dies nicht ausschließt. Die Öffentlichkeit wird hinterher nur kurz über das Ergebnis informiert. Transparenz sieht anders aus.
Und wie läuft so ein Deal ab?
Im Kern passiert folgendes: Das Gericht sagt, welche Strafe nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ungefähr möglich wäre – wenn der Angeklagte ein Geständnis ablegt. Die Verteidigung versucht, das Gericht noch weiter herunterzuhandeln, mit dem Argument, dass der Angeklagte sonst nicht mitmacht und dann ein langer Prozess erforderlich ist. Es ist leider manchmal wie auf dem Basar.
Der 59-Jährige ist Rechtsanwalt in Freiburg. Er ist seit 2005 Vorsitzender der baden-württembergischen Strafverteidigervereinigung. Sein Spezialgebiet: Betäubungsmittelstrafrecht.
Welchen Strafnachlass gibt es für ein Geständnis?
Das sind nach meiner Schätzung typischerweise zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent im Vergleich zu einer Verurteilung ohne Geständnis. Nach meiner Erfahrung wird ein Geständnis im Rahmen eines Deals vom Gericht mehr honoriert als ein frühzeitiges reuiges Geständnis aus freien Stücken – obwohl das eigentlich mehr wert sein sollte. In vielen Fällen kommt es aber gar nicht auf die absolute Höhe des Strafnachlasses an. Ziel ist oft nur, die Strafe auf zwei Jahre oder weniger zu drücken, weil dann noch eine Aussetzung zur Bewährung möglich ist.
Bei welchen Delikten kommen Deals vor allem vor?
Bei aufwendigen Wirtschafts- und Drogenverfahren. Bei Mordprozessen gibt es dagegen in der Regel keine Verständigung über das Urteil, weil das die Öffentlichkeit nicht akzeptieren würde und hier ein absolutes Strafmaß gilt, das nicht verhandelbar ist. Außerdem sind Mordfälle im Normalfall auch nicht die Prozesse, die am meisten Arbeit machen.
Sind die ausgehandelten Strafen in der Regel schuldangemessen?
Wenn ich ein rechtsstaatliches Verfahren will, genügt es nicht zu sagen: Bei einem wie auch immer ausgehandelten Urteil kommt ungefähr das Gleiche heraus wie bei einer richtigen Beweisaufnahme.
Sind ausgehandelte Urteile eher zu mild oder eher zu hart?
Von zu milden Urteilen habe ich noch nichts bemerkt. Wenn der Angeklagte durch den angebotenen Strafnachlass zum Geständnis überredet wird, dann verzichtet er ja auch darauf, um einen vollständigen oder teilweisen Freispruch zu kämpfen.
Haben Sie bereits erlebt, dass im Rahmen eines Deals bewusst ein falsches Geständnis abgelegt wurde?
Nein. Dazu würde ich auch nie raten, selbst bei scheinbar ungünstiger Beweislage. Aber so etwas soll es durchaus geben.
In zwei Wochen urteilt das Bundesverfassungsgericht, ob Deals in Strafverfahren gegen das Grundgesetz verstoßen. Was erhoffen Sie sich?
Als Kritiker würde ich mir natürlich ein Verbot der Urteilsabsprachen erhoffen, aber das ist nicht realistisch. Gut wäre schon, wenn das Verfassungsgericht sicherstellt, dass die vom Gesetzgeber und vom Bundesgerichtshof aufgestellten Regeln eingehalten werden. So dürfen Gerichte zum Beispiel keine exzessiven Strafen androhen, um Geständnisse zu erwirken.
Leser*innenkommentare
Frau Runzel
Gast
Was er in diesem Interview nicht Preis gibt, ist der Umstand, dass sicherlich mehr als die Hälfte diese "Deal- Gespräche" vom Strafverteidiger selbst ausgehen...
da fallen dann Seitens des Strafverteidigers natürlich auch Dialoge wie
"Ich stell' dann den und den Beweisantrag oder will den und den Zeugen noch laden, dann können wir uns noch vier Mal im Gericht treffen und das Ding geht noch sechs Mal länger als ihr Zwei Zeit und Nerven habt"
...demnach nutzt er dieses Forum so gut er eben kann und würde dieses Vorgehen natürlich nicht im Sitzungssaal anwenden...
...sich da so hart in die Opferrolle eines "achso auf Behörde getrimmten Rechtssystems" zu drängen ist schon derbe frech....buuh!
Klassenjustiz der Raubritter
Gast
Und wer über äußerst dubiose Deals, Skandalurteile über z.B. Marktmanipulation und gewerbsmäßigen Betrugs des Börsenspekulant Markus Frick öffentlich informiert, kommt ins Gefängnis wenn die geforderten 500 Euro Ordnungsgeld nicht bezahlt werden.
Markus Frick und das Skandalurteil, es geht nur um paar millionen.
http://www.buskeismus-lexikon.de/Frick_-_Klagen_und_Ermittlungen
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Das-ist-ein-Skandal-article3105301.html
Rolf Schaelike verbindet seinen Protest auch gegen
* den Missbrauch des deutschen Rechtsystems durch Extremisten, bis hin zu den Kräften in der PDS und NPD
* die lebensfremden, finanzabhängigen Gerichtsbeschlüsse und -urteile, die die Radikalisierung der Gesellschaft fördern
Für die CSU CDU FDP, InnenministerIn aber auch Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ist Markus Frick scheinbar ein Freiheitskämpfer der modernen.
Früher nannte man sie Raubritter, heute sind sie Systemrelevant.
Und genau diese rechtspolitische Gurkentruppe will die unwirksamen Tarifverträge der christlichen Gewerkschaft Rückzahlungen für Leiharbeiter verhindern oder was war mit Flexstrom.
Natürlich sind viele Medien gelenkt, sie sind doch teils das Sprachrohr und Werbeträger für die Raubritter.
Man kann gar nicht so viel Fressen...