Rechte Webseiten: Neonazis und ihr Hass 2.0
Die Zahl rechtsextremer Internetseiten ist laut jugendschutz.net um zehn Prozent gestiegen. Dabei rücken vor allem die sozialen Netzwerke in den Fokus der Neonazis.
BERLIN taz | "Gutenachtgeschichten" haben Neonazis eine Sammlung von Hassliedern genannt, die über das Internet verbreitet wird. Zu der Melodie von "Fuchs, du hast die Gans gestohlen", trällert ein unbekannter Barde: "Jud, du hast das Land gestohlen, gib es wieder her, muss dich erst der Deutsche holen mit dem Schießgewehr." In anderen Liedern wird dazu aufgerufen, Schwarze und Linke aufzuhängen. Zielgruppe der Nazis: Kinder von 3 bis 8 Jahren.
Ein besonders krasses Beispiel, aber kein Einzelfall. Mehr als 1.870 deutschsprachige Internetseiten mit rechtsextremem Inhalt zählte jugendschutz.net 2009. Das waren zehn Prozent mehr als im Vorjahr, wie die zentrale Netz-Kontrollstelle der Länder am Dienstag mitteilte. Dazu kommen mehrere tausend braune Beiträge in sozialen Netzwerken wie Facebook und auf Videoplattformen wie YouTube.
Vor allem in diesen Mitmachdiensten des Web 2.0 steige die Zahl rechtsextremer Inhalte rasant an, sagte Stefan Glaser, der bei jugendschutz.net für das Thema zuständig ist. "Rechtsextreme Inhalte sind in fast allen Web-2.0-Diensten präsent", heißt es in dem von ihm verfassten Bericht für 2009. "Soziale Netzwerke, Videoplattformen und Twitter werden genutzt, um Propagandabotschaften zu verbreiten, sich zu vernetzen und aktuelle Informationen auszutauschen."
Auch für die Verbreitung brauner Musik ist das Web 2.0 wichtig, wie das Beispiel der "Gutenachtgeschichten" zeigt. Die wurden im Mai erstmals in einer der größten deutschen Neonaziforen beworben, dem "Thiazi"-Forum. Kurz darauf erschienen die volksverhetzenden Lieder auch auf YouTube und dem Dateitauschdienst Rapidshare, auch im Netzwerk Schueler.CC wurde auf die Songs verlinkt.
Doch die Neonazis machen sich nicht nur in den bekannten Netzwerken breit, sie gründen auch ihre eigenen Onlinecommunitys. Jugendschutz.net zählte 2009 mehr als 90 solcher Neonazicommunitys - fast drei Mal so viele wie 2008.
Schwierig ist es, die Hassseiten dauerhaft aus dem Netz zu bekommen, insbesondere wenn die Server im Ausland stehen. Das ist bei etwa einem Drittel der rechtsextremen Inhalte auf Deutsch so. Zwar verweist jugendschutz.net darauf, dass auf den Hinweis der Stelle in vier von fünf Fällen strafbare oder jugendgefährdende Beiträge erfolgreich aus dem Internet entfernt werden. Gleichzeitig räumt deren Experte Glaser ein, dass rechtsextreme Inhalte, die von den Providern an einer Stelle gelöscht werden, oft an anderer Stelle wieder auftauchen.
Das ist auch bei den "Gutenachtgeschichten" der Fall. Zwar konnte jugendschutz.net erreichen, dass die neonazistischen Kinderlieder nicht mehr über die Videoplattform YouTube oder das Tauschprogramm Rapidshare herunterzuladen sind. Doch auf russischen Internetseiten findet sich der Hassgesang immer noch. Jetzt übernimmt das Bundeskriminalamt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?