Rechte Hetze gegen Lichtermarkt: Bürgermeister bedroht
Nach der rassistischen Hetze Erika Steinbachs und in rechtsextremen Portalen hat der Elmshorner Bürgermeister Morddrohungen erhalten.
Obwohl Hatje und die Stadt Elmshorn längst klargestellt haben, dass ihr Weihnachtsmarkt schon seit 2007 Lichtermarkt heißt und die Umbenennung erfolgte, weil der bis dahin eher mau besuchte Weihnachtsmarkt auf dem Elmshorner Marktplatz mit zahlreichen Lichtern aufgepeppt und neu benannt wurde, bekommt der parteilose Bürgermeister von Elmshorn weiter Hassnachrichten.
Als er konkrete Morddrohungen bekam, erstattete Hatje Anzeige. Die Polizei Itzehoe bestätigt mittlerweile Straftatverdacht gegen zehn Personen – „wegen Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung“. Über 100 Zuschriften habe der Bürgermeister bekommen – zahlreiche davon strafrechtlich relevant und „die Auswertung der Facebook-Kommentare steht sogar noch aus“.
Hatje hat auch heute wieder ein paar Hassnachrichten bekommen. Er liest vor: „Wir werden euch alle richten, die das deutsche Volk und Abendland bedrohen“ und „Deutschland schafft sich ab und sie sind schuld daran“ sowie „Ich kotze gleich, Schande für Deutschland. Schäm dich, Elmshorn!“.
Die Elmshorner Nachrichten haben wegen der Hetze für den 6. Dezember in Absprache mit der Stadt Elmshorn zu einer Kundgebung gegen „dumpfe Parolen und Ausländerhass“ aufgerufen.
Erika Steinbach hatte ein Plakat des Elmshorner Lichtermarktes auf Twitter und Facebook skandalisiert.
Elmshorns Lichtermarkt gibt es laut Stadt seit 2007, die Umbenennung war eine Marketingmaßnahme, nachdem der Weihnachtsmarkt ein neues Lichtkonzept bekam.
Das Plakat geht auf einen Foto-Wettbewerb mit 40 Kindern zurück. Mit der damals vierjährigen Elmshornerin wirbt die Stadt seit 2011.
Der Bürgermeister klingt dennoch gelassen: „Was soll ich dazu sagen?“ Er kommt gerade, früher Nachmittag, von einem Weihnachtseinkauf aus der Innenstadt. Zweimal wurde er auch dort auf die rechte Hetze gegen ihn und den Elmshorner Lichtermarkt angesprochen. Er bekam Zuspruch und ein „Wildfremder“ riet ihm, die Rechten zu ignorieren: „Das ist die Sache nicht wert.“
Ein Engel als Trigger für rechte Trolle
Das findet Hatje eigentlich auch. Allerdings fand er auch, dass mit der Veröffentlichung seiner Privatadresse, Telefonnummer und privaten E-Mail-Adresse eine rote Linie überschritten sei. Die Seite pi-news, die seit 2004 extrem rechte Propaganda verbreitet, machte seine Privatdaten inklusive der dort üblichen Hetze in einem Artikel über den vermeintlich islamisierten Lichtermarkt in Elmshorn nebst Plakat einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Als dann noch die ehemalige CDU-Abgeordnete Erika Steinbach auf Facebook und Twitter ein Werbeplakat des Lichtermarktes nebst der Bemerkung „Ich kenne kein Land außer Deutschland, das seine eigene Kultur und Tradition so über Bord wirft“ postete, ging der Shitstorm los.
Insbesondere die Hautfarbe eines als Engel verkleideten 4-jährigen Mädchens, mit deren Foto für den Lichtermarkt geworben wurde, war dabei Trigger für die rechten Trolle. Am Dienstag nannte auch der schleswig-holsteinische Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) die „Kritik von Erika Steinbach völlig inakzeptabel“. Er sagte der taz: „Diese Art von Hetze ist nicht hinnehmbar. Das Plakat ist für mich ein Zeichen von Weltoffenheit und Toleranz.“
Gegen Steinbach ermittelt die Polizei nicht. Ob auch das rechte Portal, welches die Adresse veröffentlichte, belangt werden kann, wollte der zuständige Staatsanwalt in Itzehoe, Peter Müller-Rakow, ebenso wenig kommentieren wie weitere Auskünfte geben – „aus ermittlungstaktischen Gründen“. Auch Grotes Innenministerium kann ad hoc nicht beantworten, ob es eine Handhabe gegen rechte Seiten gibt, die Privatadressen veröffentlichen.
Elmshorn jedenfalls lässt sich durch die Bedrohungen ihre Weihnachtsstimmung nicht verderben. Bürgermeister Hajte sagt: „Gestern die Eröffnung des Weihnachtsmarkt hätten Sie mal sehen müssen.“ Trotz des Regens sei es „brechend voll“ gewesen, „die Kinder johlten, als der traditionelle Engelsflug begann und in der ganzen Stadt gleichzeitig das Licht anging.“
Diese Tradition ließe sich Elmshorn „nicht durch solche Schwachmaten kaputt machen“, sagt er.
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