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Rechte Gewalt in AdlershofBerlin, ganz rechts unten

Bezirksbürgermeister Oliver Igel und BewohnerInnen warnen vor der Zunahme rechter Gewalt in Adlershof. Schüsse auf Wohnungstür von Geflüchteten.

Ziel eines Anschlags mit Buttersäure: der Imbiss Habiba in Adlershof Foto: Christian Mang

Die Schmierereien stehen noch an der Hintertür des arabischen Imbisses Habiba in der Adlershofer Dörpfeldstraße. Im Juni hat jemand ein Hakenkreuz dorthin geschmiert. Darunter steht: „Ab in die Gaskammer“, „Scheiß Moslems“ und „Raus hier“. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt. Dazu wurde der Imbiss mit Buttersäure überschüttet. „Die musste die Feuerwehr entfernen“, sagt der Imbissbetreiber, ein junger Mann, der sich als „Deutscher mit arabischen Wurzeln“ vorstellt – „das ist mir wichtig. Wir sind ja alle hier zur Schule gegangen,“, sagt er und zeigt auf die Gruppe seiner Mitbetreiber, die mit ihm neben dem Imbisswagen sitzen und Tee trinken.

„Wie aus heiterem Himmel“ habe er den Anschlag erlebt, fährt der Mann fort. „Wir kamen morgens zur Arbeit, und es stank nach Buttersäure.“ Seit fast drei Jahren stehe der Wagen, der Falafel und frittiertes Gemüse anbietet, in Adlershof. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Kunden und zu den Nachbarn“, sagt der Chef und trinkt einen Schluck Tee. „Wir helfen auch mal den alten Leuten im Nachbarhaus“, er deutet in Richtung des Hauses, „den Einkauf hochzutragen. Wir haben sogar mal eine neue Waschmaschine hochgeschleppt.“

Das Aktive Zentrum Dörp­feldstraße, eine Art Nachbarschaftszentrum, bestätigt die Verankerung des Imbisses im Kiez. „Der Imbiss Habiba erfreut sich seit drei Jahren großer Beliebtheit. Stets unterstützten die Betreiber das Aktive Zentrum Dörpfeldstraße bei Veranstaltungen im Kiez.“ Eine Kundin mit Kinderwagen, die gerade vor dem Imbiss steht, verurteilt den Angriff. „Das hat man ja weit entfernt noch gerochen, es war eine Sauerei.“

Doch nicht alle im Kiez sehen das so. Ein junger Mann im Blaumann an der Straßenbahnhaltestelle direkt daneben sagt der taz: „Wenn jemand meint, den Imbiss angreifen zu müssen, hat er vielleicht Gründe.“

Für den Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), und das Zentrum für Demokratie, das sich in dem Südostbezirk dem Kampf gegen Rechtsextremismus widmet, steht der Anschlag auf den Imbiss für eine Zunahme rechter Gewalt im Ortsteil Adlershof. Igel findet drastische Worte: „Diese Eskalation ist erschreckend und widerspricht den grundlegenden Werten unserer Demokratie. Ein friedliches ­Miteinander scheint immer weniger selbstverständlich zu sein.“

Tiefpunkt einer seit Mai anhaltenden Welle rechter Gewalt im Ortsteil waren Ende Juni Schüsse auf die Wohnungstür einer geflüchteten Familie. Die gut gesicherte Tür verhinderte einen Durchschuss und damit Personenschaden. Das Zentrum für Demokratie, das politische Bildungsarbeit in Treptow-Köpenick macht, sieht die Gewaltvorfälle mit Sorge – nach ihren Angaben sei die Familie auch früher schon attackiert worden. Ihr Briefkasten sei zerstört worden, der Gartenzaun wurde beschädigt und der Eingang mit Hundekot beschmiert. Rechtsextremisten hätten die Familienmitglieder auch in der Nähe ihrer Wohnung verbal beleidigt. Dem Zentrum für Demokratie zufolge sei die Familie völlig verängstigt und will umziehen. Auch der Briefkasten einer anderen geflüchteten Familie sei angegriffen worden.

Adlershof ist ein zweigeteilter Ortsteil im Südosten Berlins. Auf der einen Seite der ­S-Bahn liegen die Wissenschaftsstadt und der Medienstandort mit naturwissenschaftlichen Instituten der Humboldt-Uni, Forschungs-, Produktionsstandorten und Fernsehstudios. Auf der anderen Seite ist ein Wohngebiet. Hier wohnen immer mehr Studenten, aber auch etliche Rechtsextreme. Schlagzeilen in Bezug auf Rechtsextremismus machte der Ortsteil 2014, als die NPD gegen ein Flüchtlingswohnheim in einem ehemaligen Hotel mobil machte. Es gab Naziaufmärsche, fremdenfeindliche Parolen und ­anonyme Aufforderungen im Internet, das Heim abzubrennen, aber auch eine engagierte Zivilgesellschaft, die dagegenhielt. Viele NPD-Mitglieder wohnten im benachbarten Schöneweide und konnten von dort aus leicht nach Adlershof mobilisieren, wo auch einige Anhänger wohnten und wohnen.

Ende Juni gab es Schüsse auf die Wohnungstür einer geflüchteten Familie

Während der Bezirksbürgermeister und das Zentrum für Demokratie von einer „Welle rassistischer Gewalt in Adlershof“ sprechen, ist die Polizei zurückhaltender. „Nach einem Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum ist eine Häufung von Straftaten derzeit nicht zu erkennen. Inwiefern es sich bei den aktuellen Taten um eine Serie bzw. einzelne Serien handelt, ist Bestandteil noch laufender Ermittlungen,“ so Polizeisprecher Thilo Cablitz. In diesem Jahr zählt die Polizei in Adlershof acht Straftaten, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden. Tatverdächtige konnten bislang nicht ermittelt werden.

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