Rechte Ecke in Zahlen: Neukölln als rechter In-Kiez
2007 wurden in dem Bezirk die meisten rechten Straftaten gezählt - ein Zeichen dafür, dass sich die Szene entwickelt.
Neukölln ist der Stadtteil, in dem die Senatsverwaltung für Inneres im vergangenen Jahr die meisten rechten Straftaten in Berlin gezählt hat. Insgesamt 194 Fälle sind den Behörden im Jahr 2007 dort bekannt geworden: von Hakenkreuz-Schmierereien bis zu brutalen Übergriffen. Insbesondere in den Stadtteilen Rudow und Buckow vermeldet Innensenator Ehrhart Körting (SPD) neue Tendenzen: Dort sei seit Mitte 2007 ein erhöhtes Aufkommen an Sachbeschädigungen durch Schmierereien mit rechtsextremem Hintergrund festzustellen.
Die auffällig hohe Zahl rechter Propagandadelikte in der Statistik sei das Ergebnis der guten Antirassismusarbeit des Bezirks, heißt es dazu aus dem Bezirksamt Neukölln. Die Mitarbeiter der Verwaltung seien aufgefordert, Nazi-Aufkleber nicht nur zu entfernen, sondern auch in jedem Fall zur Anzeige zu bringen. "Das erhöht natürlich die Statistik, macht aber auch unsere Arbeit hier sichtbar", sagte Thomas Blesing (SPD), stellvertretender Bezirksbürgermeister.
Insgesamt in Berlin, so meldet Senator Körting, sei die Zahl politisch motivierter Kriminalität aus dem rechten Spektrum im Vergleich zu 2006 um etwa 25 Prozent gesunken. Er erklärt dieses Abfallen mit dem Ausnahmejahr 2006: Im Zusammenhang mit der Fußball-WM und Abgeordnetenhauswahlen habe auch die Zahl rechter Straftaten deutlich zugenommen. Zählte die Senatsverwaltung 2006 noch 1.964 Fälle rechter Delikte, so lag die Zahl 2007 bei 1.456. Davon sind 980 Propagandadelikte. Über die letzten Jahre gesehen sei die Entwicklung stabil.
Neben Neukölln fielen 2007 gemäß der Statistik des Innensenators Tempelhof-Schöneberg mit 172 gezählten Vergehen sowie Mitte (161), Lichtenberg (155) und Pankow (149) besonders auf. Die wenigsten Fälle zählten die Behörden in Steglitz-Zehlendorf (64), Spandau (70) und Friedrichshain-Kreuzberg (80).
Doch die Statistik gilt längst nicht allen Kennern als aussagekräftig: Weil darin Kleinstdelikte ebenso gezählt werden wie Überfälle, verzerre sie die Wahrnehmung der Bedrohungslagen, kritisiert die Opferberatungsstelle ReachOut. Daher erfasst diese nur Übergriffe auf Menschen - und kommt teils zu völlig entgegengesetzten Ergebnissen. Danach ist gerade Friedrichshain das gefährlichste Pflaster: 2006 zählte die Stelle dort allein 48 rechte Übergriffe - weit mehr als ein Viertel aller gezählten Übergriffe. 2007 waren es 24 rechte Übergriffe in Friedrichshain - von 112 berlinweit.
In einem sind sich beide Stellen aber einig: Neukölln ist einer der Bezirke, in denen das rechte Spektrum sich am dynamischsten entwickelt. MARTIN KAUL
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