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Rechte Aufrufe zur WahlbeobachtungHauptsache Zweifel

Ein Verein und die AfD rufen dazu auf, die Bundestagswahl zu beobachten. Das erinnert an Versuche in den USA, Misstrauen am Wahlprodezere zu verbreiten.

Querdenken und zweifeln an allem was einem nicht in die Vorstellung passt Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Count the votes! Stop the count! Wer sich an die US-Präsidentschaftswahlen 2020 erinnert, wird die Sprechchöre noch im Ohr haben. Weil Donald Trump die Wahl gegen Joe Biden verloren hatte, setzte er den Mythos in die Welt, die Demokraten hätten die Wahl und somit die Präsidentschaft gestohlen. Stimmzettel seien einfach so aufgetaucht, andere seien manipuliert oder falsch ausgezählt worden. Diese Behauptungen stellten sich als Fake News heraus. Doch auch vor der Wahl war für den Republikaner eigentlich schon klar: Wenn die Demokraten die Präsidentschaftswahlen gewinnen, muss Wahlbetrug im Spiel sein.

Auch in Deutschland gibt es Misstrauen darüber, wie die Bundestagswahl ablaufen wird. Ein Verein, der dazu aufruft, dem Prozedere am 23. Februar beizuwohnen und Wahlbeobachter_in zu werden, ist Wabeo (ein Portmanteau aus „Wahl“ und „Beobachtung“). Auf den ersten Blick sieht deren Website ungefährlich aus. Dann liest man „Vertraust Du blind?“, „Hat die Bundeswahlleiterin Angst vor verifizierter Wahlbeobachtung?“, und riecht erste Anti-Establishment-Sentiments.

Wabeo bietet an, Interessierte zu verifizieren, damit sie Wahlbeobachter_in werden können. Ein unnötiger Zwischenschritt: Schließlich kann jeder und jede ohne Anmeldung im Wahllokal aufkreuzen und das Ganze beobachten. Nur Wabeo aber verifiziert … und sammelt dabei Geld ein. 6,49 Euro kostet ein TAN-Brief, den man dazu benötigt. Ein weiterer Betrag ab einem Cent, eine Art Spende, diene der „Verifizierung“.

In beiden Fällen sammelt Wabeo jedenfalls Daten. Und wo landen die 6,49 Euro und 1 Cent? Bei Bürger für Deutschland e. V., wie im eigenen Impressum steht. Ein Trägerverein der Querdenken-nahen Initiative „Deutschland-steht-auf“.

Jeder kann Wahlbeobachter_in werden

Es ist gut, dass Wahlbeobachtung jedem und jeder möglich ist. Problematisch ist aber, wenn bei der Mobilmachung Misstrauen gesät wird. Misstrauen, das dann verbreitet wird und im Nachhinein, ähnlich wie bei Trump, dazu genutzt werden kann, die Wahlergebnisse per se infrage zu stellen.

Noch offensichtlicher wird das auf der Seite von „Ein Prozent“ – einem vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Verein. „So werfen wir die Linke aus dem Bundestag“ oder „Diese Fehler könnten der AfD richtig Stimmen ­kosten“ lauten dort die Zeilen der ersten Blogbeiträge. Im „Über uns“-Teil der Webseite steht: „Wir leisten Widerstand ­gegen eine politische Klasse, die längst nicht mehr die Interessen der eigenen Bevölkerung schützt, die sogar behauptet, es gäbe überhaupt kein ‚eigenes‘ Volk“. Eine ihrer Widerstandsformen: die Wahlbeobachtung.

Dass jeder Wahlbeobachter_in werden kann und somit selbst am demokratischen Prozess der Wahl teilnehmen darf, scheint als Beweis dafür, dass die Demokratie ganz gut funktioniert, nicht auszureichen. Auch die AfD ruft als einzige der größeren Parteien auf ihrer Seite dazu auf, Wahlbeobachter_in zu werden. Ob jemand am 23. Februar „Stop the count!“ rufen wird, bleibt abzuwarten.

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1 Kommentar

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  • Es ist nicht ganz klar, was mit "Stop the count!" hierzulande überhaupt erreicht werden könnte... Warum sollte auch nur irgendeinem der genannte Rechten — ich weiß, die sind allesamt nicht so helle, aber dennoch — daran gelegen sein, die Stimmen nicht auszuzählen? Schaut man sich die Karten an, wo wie gewählt wird, sollten die Chants im Osten eher "Don't stop the count!" lauten (und vielleicht "Count me to the end of love", weil so düster und schmissig apokalyptisch wie die Stimmung). Eigentlich sollte es allen Demokraten aber daran gelegen sein, dass so viele Bekloppte wie nur möglich von "ein Prozent", "die Basis" und "Querschwurbeln 0815" in den Wahllokalen herumlungern und voll konspirativ filmen. Zu irgendwas muss diese fehlgeleitete Energie ja gut sein; und sei es um deren eigenen Wirrnis selbstgemachte Sachbeweise entgegenzusetzen.