Rechte Anschlagsserie in Berlin: „Rote Drecksau“
Die Attacken gegen linke Institutionen und Aktivisten reißen nicht ab. Ausbleibende Ermittlungserfolge könnten die Täter ermutigen.
Berlin taz „Bei mir waren sie“, sagt Johannes C. am Telefon. Am Mittwochmorgen fand der linke Aktivist Schmierereien an seiner Hausfassade in Nordneukölln. Sein vollständiger Name stand da, dazu die Beleidigung „rote Drecksau“. Sie, das sind Nazis, da ist sich nicht nur C. sicher.
Den Vorfall hat er der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) gemeldet. Und C. ist nicht der Einzige. Mindestens fünf Geschädigte aus Neukölln haben sich am Mittwoch an die MBR gewandt, wie deren Gründerin Bianca Klose der taz bestätigt. Auch in der Nacht zuvor gab es fünf Fälle, diese allesamt im Wedding.
„Die Graffiti haben in mehrfacher Bedeutung die gleiche Handschrift“, so Klose. Was sie meint: Das Bild der Schriftzüge ist ähnlich, und stets folgt dem Namen eine Beleidigung oder Bedrohung. Bereits Ende Dezember fanden sich an sieben Häusern in Neukölln und Kreuzberg Schriftzüge nach dem gleichen Muster. Neu ist, so Klose, die Ausweitung des Aktionsradius nach Wedding. Außerdem haben die Täter dieses Mal auch einige Häuser betreten und die Treppenhäuser beschmiert.
Inzwischen lässt sich von einer massiven rechten Anschlagsserie sprechen. Die Attacken begannen Mitte Dezember mit einem Brandanschlag auf das Café K-Fetisch und eingeworfenen Scheiben bei einer Buchhandlung und zwei Privatwohnungen.
Es folgte ein Angriff auf die Wohnung des bekannten Antifaschisten Tim H sowie Brandstiftungen an den Autos des Buchhändlers und eines IG-Metall-Mitglieds, die sich beide gegen rechts engagieren. Bis zur letzten Nacht hatte die MBR 31 Anschläge seit 2016 allein in Neukölln verzeichnet.
Zwar soll das Landeskriminalamt die Ermittlungen aufgenommen haben, doch Erfolge sind bislang nicht zu verzeichnen. „In dem Moment, wo diese ausbleiben, fühlen sich die Täter sicher und werden sogar befeuert, eine nächste Eskalationsstufe zu betreten“, so Klose. Schnelle Ermittlungserfolge seien nun dringend geboten. Die Täter werden in Südneukölln vermutet und einem Kreis zugerechnet, der bereits vor Jahren unter dem Label „Nationaler Widerstand Berlin“ Listen von Gegnern erstellte und Anschläge durchführte.
Leser*innenkommentare
Georg Dallmann
Derartige "Aktionen" rechter Gewalttäter sind vollkommen INakzeptabel! Man würde sich aber wünschen, dass die TAZ auch die - nicht gerade seltenen - Gewaltakte sog. linker "Aktivisten" gleichermaßen "kritisch" thematisiert. Das wäre ein - freundlicher Akt - der Ausgewogenheit.
60440 (Profil gelöscht)
Gast
@Georg Dallmann Es gibt keine Ausgewogenheit zwischen linker und rechter Gewalt. Letztere überwiegt derart deutlich, dass ihr ein besonders geräumiger Platz in der Berichterstattung gebührt.