Recht auf Wohnen (I): Unheimliches Bündnis
Bei den Auflagen für die gentrifizierungskritische Parade "Recht auf Stadt" stützt sich das Verwaltungsgericht auf eine geheime Staatsschutz-Analyse.
Das Verwaltungsgericht hat seine Auflagen für die Demonstrationsparade "Recht auf Stadt" mit einer Gefahrenanalyse des Staatsschutzes begründet - allerdings nur mit deren Ergebnis. Der Inhalt müsse aus nahe liegenden Gründen geheim bleiben. "Die Begründung macht mich als Rechtsanwalt sprachlos", kommentierte Demoanmelder Marc Meyer am Donnerstag.
Das Verwaltungsgericht hatte am Mittwochabend das polizeiliche Verbot der Route durch die Einkaufsstraßen bestätigt. Das Veranstalter-Netzwerk von 120 Initiativen hat dagegen Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt, das bei Redaktionsschluss noch nicht entschieden hatte. Auf welcher Route die Anti-Gentrifizierungs-Parade Freitagnachmittag rollen wird, ist daher noch unklar.
Das Gericht hatte seine Entscheidung auf eine Lagebeurteilung des Staatsschutzes gestützt, die sich auf eine "in ihren Einzelheiten aus nahe liegendem, sachgerechten Geheimhaltungsintresse nicht belegten Analyse beruft" und Krawalle von 400 Autonomen prophezeit. Zudem hatte das Gericht den Aufruf des Bündnisses eigenwillig interpretiert. Formeln wie "wir sind wütend", "gehen auf die Barrikaden", "besetzen Häuser und Plätze" und "tanzen Walzer" wertete das Gericht als "unkalkulierbaren Widerstand". Die Losung "die Stadt zurückerobern" interpretierte es als "Kampf um Raumgewinn unter Inkaufnahme von Schäden". Der Umstand, dass dieses Motto aufgegeben worden sei, belege keinen Sinneswandel der Personen, die es zur Planung der Versammlung gewählt hatten.
Die Parade sollte ursprünglich ab 16.30 Uhr von der Moorweide über den Jungfernstieg zum Neuen Wall ziehen. Der Neue Wall sei gewählt worden, nicht weil man "die Straße so chic findet", sondern da sie Beispiel für privatisierten öffentlich Raum sei, sagt Meyer. Nach den polizeilichen Vorgaben soll die Parade um die Innenstadt herum über die Willy Brandt-Straße zum Ida-Ehre-Platz gehen.
Die bunte Parade, zu der unterschiedlichste Gruppen - vom Kleingärtner-Verein, über Mieterinitiativen und Bauwagenleute bis zur Gewerkschaft Ver.di - aufrufen, werde auf jeden Fall stattfinden, sagt Tina Fritsche vom Centro Soziale. Sie werde eine "Mischung aus politischer Demonstration und Rosenmontagsumzug" sein. Auf den Wagen sollen zu den Themen Mieterhöhung, Verdrängung, Bebauung, Beteiligung und zur städtischen Wohnungsbaupolitik Stellung bezogen werden.
Parallel hat die Arbeitsgruppe "Mieten und Wohnen" die grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk aufgefordert, die geplanten Mieterhöhungen bei den 130.000 Wohnungen der Saga / GWG aufzuhalten. Hajduk sitzt dem Aufsichtsrat der städtischen Wohnungsgesellschaft vor. In St. Pauli habe die Saga in den vergangenen Jahren Mieterhöhungen von 27 Prozent durchgesetzt. Kurz nach Veröffentlichung des Mietenspiegels seien Saga-Mietern in den von Aufwertung betroffenen Stadtteilen Mieterhöhungsverlangen ins Haus geflattert, obwohl die Saga 2008 rund 106 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete, berichtet Jörg Steffen. Hier werde "Profit auf dem Rücken der Mieter gemacht".
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